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Klugscheißerei

■ betr.: A. Widmann: "Unter Linden", taz vom 9.4.90

Zu: A. Widmann: „Unter Linden“, taz vom 9. 4.

Wie ist das mit „Unfähigkeit zu trauern“, die auch Herr Widmann so schnell bei anderen entdeckt? Aufhorchen läßt nur ein kleiner vereinzelter Satz am Ende des aufgeregten Artikels: „Ich gehörte auch dazu.“ Dort und nirgends sonst könnte die Fähigkeit, zu trauern, tätig werden. Allein, auch bei A. W. bleibt der Satz fremd und einsam stehen. Der Autor zieht es vor, über viele Spalten demagogische Vorwürfe gegen einstige Autoritäten auszubreiten. Woher kommt gerade jetzt dieser so auffallend verspätete juvenile Affekt? Ganz einfach: Jeder versucht nun auf seine Weise, die eigene DDR -Identität so schnell wie möglich loszuwerden. Der eine z. B. ruft „Helmut, Helmut!“ und hofft, sich bald danach einen schicken Gebrauchtwagen kaufen zu können, und der andere beweist sich und der Welt in langen Artikeln, daß die DDR schon immer „eine faustdicke Lüge“ war und er es schon immer wußte. Die taz stellt uns hier diese links-intellektuelle Variante vor: Ein Autor projiziert seine DDR-Identität auf andere namhaftere Autoren und bekämpft sie in ihnen - mit Erfolg. Typisch DDR. Nebenbei bleibt das Ganze ein halbes Jahr danach einfach Klugscheißerei.

Stefan Wolf, Berlin

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