Ostereier aus Oslo

■ Norweger signalisieren vorsichtig ihre Bereitschaft, im Falle einer Wirtschaftsblockade Öl und Gas zu liefern

Eine litauische Regierungsdelegation hat sich während der Osterfeiertage in Oslo aufgehalten, um bei der norwegischen Regierung die Möglichkeiten zu sondieren, aus dem skandinavischen Land Öl und Gas geliefert zu bekommen für den Fall, daß die sowjetische Regierung Ernst macht mit ihrer Blockade.

Nachdem sich die oppositionelle Arbeiterpartei am Samstag öffentlich positiv für das Eingehen auf ein entsprechendes Ersuchen ausgesprochen hatte, zog am Sonntag ein Sprecher der konservativen Hoyre, der Partei von Ministerpräsident Syse, nach: Norwegen solle im Fall einer Sowjetblockade Nordseeöl nach Litauen liefern.

Deutlich zurückhaltender äußerte sich am Sonntag als erstes Regierungsmitglied Außenminister Bondevik: Die Frage von Öllieferungen sollte Norwegen nicht im Alleingang entscheiden, sondern nach Beratungen mit den übrigen Nato -Mitgliedsländern und insbesondere den USA. Es gelte, jede „Provokation der Sowjetunion zu vermeiden“. Auch wenn die litauische Delegation vor der Presse geäußert hat, man habe den Eindruck gewonnen, im Ernstfall auf norwegische Öllieferungen bauen zu können, sieht es nach dieser ersten Stellungnahme aus dem Außenministerium eher nach einer negativen, zumindest zögerlichen Antwort auf ein formales Ersuchen aus Litauen aus.

Ein ganz anderes Problem wäre die Frage, wie Litauen entsprechende Öllieferungen überhaupt bezahlen könnte, da das Land faktisch nicht über eine konvertible Währung verfügt.

Irgendwelche Lieferungen müßten also gegen Kredit oder auf dem Wege von Tauschgeschäften erfolgen, die diesen Handel eher als Geschenk erscheinen lassen würden. Dies könnte - so Ivar Neumann vom dem Außenministerium nahestehenden außenpolitischen Forschungsinstitut - von der Sowjetunion als eine zusätzliche Provokation verstanden werden.

Reinhard Wolff, Oslo