: „Die Stimmung heizt sich immer mehr auf“
Der Strafgefangene Wolfgang Adler (39) zu den Protesten wegen schlechter Haftbedingungen im Moabiter Knast / „Die Justizverwaltung soll endlich Verhandlungen aufnehmen“ / Angleichung an Tegeler Haftverhältnisse gefordert ■ I N T E R V I E W
Wolfgang Adler (39) ist Strafgefangener im Moabiter Haus II und dort seit Mitte März an den Protestaktionen beteiligt.
taz: Was für eine Stimmung herrscht im Knast nach dem Suizid des Gefangenen T.?
Adler: Eine ganz schlimme Stimmung. Die Leute sind noch aggressiver und unruhiger als ohnhin schon. Als wir das am Montag erfahren haben, haben wir beschlossen, unsere Protestaktion wieder richtig durchzuziehen. Daß der Mann selbstmordgefährdet gewesen war, war der Anstaltsleitung bekannt. Montag abend, als die Kundgebung war, war große Unruhe im Knast. Die Gefangenen haben mit Mülleimerdeckeln gegen die Gitter geschlagen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, rausgeworfen und Zeitungen angezündet. Die Höfe sehen schlimm aus. Daß war vor 14 Tagen schon mal so.
Welche Protestformen werden jetzt angewendet?
Alle möglichen Formen, ohne dabei aktiv gewalttätig zu werden. Das beschränkt sich hauptsächlich auf passiven Widerstand wie zum Beispiel demnächst mal nach dem Gottesdienst nicht mehr auf Zelle zu gehen, zu versuchen, jemanden von der Senatsverwaltung dazu zu kriegen, daß er zu uns kommt und mit uns redet und endlich Verhandlungen aufnimmt.
Auf der Kundgebung hieß es, 40 Gefangene würden in den unbefristeten Hungerstreik treten. Die Justizverwaltung behauptet, dem sei nicht so. Was stimmt nun?
Für die Leute, die ich kenne, kann ich sagen, daß die ganz konsequent Hungerstreik machen. Und dann gibt es noch viele, die auch mitmachen aber nicht so konsequent. Im Haus II hat es mit 20 Mann angefangen. Bei den Solidaritätsaktionen haben bis zu 250 Leute nur für einen Tag die Nahrung verweigert oder sind nicht arbeiten gegangen. Kurz vor Ostern sind einige Leute deshalb von der Arbeit abgelöst worden, da wurden die Repressalien von der Anstalt immer massiver.
Was ist die Hauptforderung?
Weg mit dem 23-Stunden-Einschluß und Angleichung an die Haftbedingungen im Tegeler Haus II. Für die U-Haft im Moabiter Haus I sieht es jetzt so aus, daß die Gefangenen ab Mai viermal die Woche Umschluß haben, außerdem sollen sie an einem Tag und am Wochenende Aufschluß haben. Für Haus II ist in der Richtung überhaupt noch nichts passiert. Aus diesem Grunde fordern wir ganz konsequent Gleichstellung mit dem Tegeler Haus II. Das ist für Nichtarbeiter und Arbeiter von morgens bis abends offen, oder sie dürfen sich zumindest im Gruppenraum aufhalten. Ostern war es hier drin mal wieder ganz schlimm. In allen anderen Anstalten ist es nämlich so, daß zu Ostern eine Sonderregelung für Umschluß oder Aufschluß ist. Wir waren Ostern wieder bis auf eine Freistunde und eine Stunde Umschluß alle unter Verschluß.
Welche Gefangenen sollen an den geforderten Gesprächen mit der Justizverwaltung teilnehmen?
Hauptsächlich die Leute, die sich stark gemacht haben für die Insassenvertretung, daß ist ein Gremium von 14 Leuten.
Wie wird die Gesprächsweigerung der Justizverwaltung von den Gefangenen interpretiert?
Die sind richtig abgegessen und bedient. Aber nicht so sehr, daß sie sagen, wir lassen das wieder alles im Sande verlaufen. Im Gegenteil: Die Stimmung heizt sich hier drinnen immer mehr auf.
Interview: plu
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