: Buga 91: Mit Rosenduft gegen Emscher-Mief
Für die Bundesgartenschau in Dortmund wurden 250 Bäume gefällt / Städtische Buga-Zuschüsse mit Finanztricks kleingehalten / Die „Spar-Buga“ wird mindestens dreimal so teuer wie geplant / Die Emscher wird unter die Erde verbannt ■ Von Bettina Markmeyer
Dortmund (taz) - Weil die Stadt Dortmund vor dreieinhalb Jahren nicht auf ihren Kämmerer gehört hat, muß Gärtnermeister Gustav Schepoks jetzt sonntags Überstunden schieben. Der kleine, resolute Mittfünfziger, oberster Gärtner im Westfalenpark, führt eine 30köpfige, verfrorene Gruppe durch die Staudenbeete. Über Megaphon gibt er knappe Erklärungen zu den noch winterlich mickrigen Stauden, ausführlicher dagegen widmet er sich Erdhaufen, Baggern, Röhren, Kabeln und tiefen Löchern. Denn die sind derzeit die Hauptsache in dem vor der Kulisse der Hoesch-Werke gelegenen Park im Dortmunder Süden. Im April 1991 soll hier die nächste Bundesgartenschau (Buga) eröffnet werden. Und dafür wird der 70 Hektar große Park umgewühlt.
Und nicht nur der. Aufgewühlt ist auch die Dortmunder Öffentlichkeit, der sich die Vorbereitungen des „farbenfrohen und heiteren Ereignisses“ (Werbung) als eine unerfreuliche Ansammlung von immer neuen Finanzierungslöchern, Planungspannen und Schnapsideen präsentieren. Die Baustellenbesichtigungen mit Schepoks oder seinen Kollegen dienen der Beschwichtigung. Gegen ein Eintrittsgeld von einer D-Mark kann sich jedeR nun jeden Sonntag ab 11 Uhr erklären lassen, warum eine Buga viel Geld kostet und für welchen zukünftigen Rosenzauber sich derzeit 30 Baufirmen und die Post gleichzeitig in Kabeln und Rohrleitungen verheddern.
„Abgelehnt, da finanzielle Auswirkungen unabsehbar“, hatte Stadtkämmerer Schiffmann im September 1986 unter den Verwaltungsvorschlag für eine Dortmunder Buga geschrieben. Die SPD-Mehrheit beschloß das imagepflegende Blümchenspektakel trotzdem. Zudem wollten die Dortmunder Genossen mit den Landeszuschüssen für die Buga den vernachlässigten Westfalenpark überholen. Die Grünen waren dagegen, die CDU enthielt sich.
Das Gerangel um die Finanzierung begann, so der grüne Ratsherr Richard Kelber, „mit einem Betrug“. Oberstadtdirektor Harald Heinze, eigentlich Gegner der Buga, legte im Oktober 1987 einen Finanzplan vor, in dem durch Tricks - beispielsweise wurden Neuanpflanzungen für die Buga mit 5 Millionen DM auf der Einnahmenseite verbucht - der städtische Zuschuß für die Blumenschau auf 10,5 Millionen DM runtergerechnet wurde. Das war der Preis, zu dem die SPD die Blümchenolympiade haben wollte. Motto: Wir wollen, aber niemand soll wissen, was es kostet. Heinze machte noch einmal deutlich, daß Dortmund tatsächlich mindestens 30 Millionen lockermachen müßte, beugte sich dann aber dem SPD -Schummelbeschluß und wurde Chef der Buga-Gesamtleitung.
Es dauerte über zwei Jahre, in denen die städtischen Buga -Planer von einem Finanzloch ins nächste stolperten, bis die Verwaltung im Februar dieses Jahres ein Papier mit dem Titel Bundesgartenschau '91 . Erhöhung des Zuschußbedarfs vorlegte. Darin wurde erklärt, wie man bisher gemogelt hatte, um dann unverdrossen den städtischen Zuschuß um gut 26 Millionen DM zu erhöhen. So grundlegende Dinge wie Kanalreparaturen hatte man vergessen zu berechnen, aber auch Kosten für die Gastronomie, die Werbung oder die Pressearbeit. Während die Verwaltung die zerknirschte Naive spielt und die SPD Anfang März die nun dreimal so hohen Kosten absegnete, sind CDU und Grüne bereits sicher, daß auch die neuen Summen nicht ausreichen werden. Außerdem machten sie bereits auf weitere Buga-Kosten aufmerksam, die die Verwaltung im städtischen Haushalt versteckt hat.
Aber nicht nur mit ihren Rechenkunststückchen - die Kosten für das als „Spar-Buga“ geplante Spektakel sind insgesamt auf gut 83 Millionen DM angewachsen - sorgen die GenossInnen für Zündstoff. Sie reaktivierten den ehemaligen Leiter des Grünflächenamts, Walter Engelberg, und machten ihn zum Planungschef der Buga. Der Pensionär, bekannt für gärtnerisches Durchgreifen und einen rüden Umgangston, kündigte als erstes eine Fällaktion an, der 450 Parkbäume natürlich alle alt und krank - zum Opfer fallen sollten. Vehemente Proteste von BürgerInnen und Vereinen wie der „Initiative für einen sanften Umbau des Westfalenparks“ sowie der milde Winter 1988/89 bewahrten etwa 200 Bäume vor der Säge.
Skandälchen gab es auch sonst reichlich. Bildhauer wurden damit konfrontiert, daß ihre im Park ausgestellten Werke wegen der Buga-Vorbereitungen beseitigt wurden und auf dem Schrottplatz gelandet waren. Und während Buga-Planer Engelberg einerseits einen Hubschrauberlandeplatz für den Bundespräsidenten und andere VIPs bauen lassen will, gibt er sich andererseits als naturverbundener Emscher-Retter. Die Ruhrkloake, deren Gestank sonst den Duft der Rosen übertreffen würde, soll auf der Länge des Parks unter die Erde. Oben plätschert dann ein sauberes Bächlein - sein Wasser wird per Rohrleitung aus einem nahegelegenen Bach herbeigeschafft. „Renaturierung“ nennt sich das Projekt.
Ein Konzept für die Ruhrgebiets-Buga existiert nicht, nur ein Antikonzept: In Dortmund soll es nicht so werden wie 1989 in Frankfurt. Dort waren zu einer unentschlossenen Mischung aus Öko- und traditioneller Blumenschau nur halb soviele BesucherInnen erschienen wie erwartet. Die Buga schloß mit einem dicken Defizit ab. Dortmunds Oberbürgermeister Samtlebe will demgegenüber „mit der Buga ein wenig Luxus in die Stadt bringen“, die 'WAZ‘ ('Westdeutsche Allgemeine Zeitung‘) echote mit Blick auf die Frankfurter Ökoambitionen, eine Bundesgartenschau sei schließlich „keine alternative Erziehungsanstalt“.
So sei es denn fast tröstlich, sinniert Richard Kelber, der für die Grünen in der Buga-Gesamtleitung sitzt, daß nur der ohnehin intensiv genutzte Westfalenpark für die Blümchenschau umgewühlt werde. Ökologisch sei da nicht so viel zu verderben. In Frankfurt hatte man noch das verwilderte artenreiche Niddatal für sogenannte „naturnahe“ Pflanzenschauen planiert. Und davon, was man mit 40 Mil lionen DM für eine ökologische Stadtgestaltung tun könnte, spre che in Dortmund ohnehin niemand mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen