: Hier Regierung, keiner da
■ Erster Arbeitstag der neugewählten DDR-Regierung: Die Telefone klingelten vergeblich
Berlin (dpa) - Am Tag der Amtsübernahme der neuen DDR -Regierung wußte keiner Bescheid. Das Hauptproblem: Weder die neuen noch die alten Mitarbeiter in den Ministerien wußten, wer welche Auskunft geben kann. Im „Informationszentrum beim Vorsitzenden des Ministerrats“ wurde immer auf den neuen Regierungssprecher Matthias Gehler (CDU) verwiesen. Der Sprecher allerdings war für die Presse nicht erreichbar. Die Telefonnummer ihres neuen Chefs wußte niemand im Informationszentrum. „So geht's nicht weiter. Ich gehe ihn jetzt suchen“, meinte nach Stunden ein Mitarbeiter der Pressestelle entnervt.
Anlaufschwierigkeiten lähmten auch den Betrieb in vielen anderen Dienststellen der Regierung. Auf die Frage nach dem Dienstbeginn des neuen Außenministers, Markus Meckel (SPD), verwies sein persönlicher Referent Holger Saffier auf die Ministeriumsmitarbeiter. Die hüllten sich in Schweigen. Eine Sekretärin, die anonym bleiben wollte: „Ich gebe keine Informationen.“ Auskunftsbefugt gewesen wäre der Leiter der Pressestelle, Winrich Lorenscheit. Der aber war nicht informiert. „Ich habe Herrn Meckel noch nicht zu Gesicht bekommen“, hieß es in der Pressestelle. Er wisse gar nicht, ob Lorenscheit selbst überhaupt noch im Amt sei, entschuldigte sich der Pressechef. Derzeit werde er nur „auf dem Formular“ als Pressestellenleiter geführt.
Erstaunt war Referent Saffier über die vielen neuen Gesichter in den Vorzimmern von Außenminister Meckel. „Die alten Sekretärinnen waren weg. Wer die neuen bestellt hat, wissen wir nicht“, sagte der SPD-Mitarbeiter. Hoffnung in den meisten Ministerien: künftig weniger Chaos. Bei dem Minister im Amt des Ministerpräsidenten, einer neugeschaffenen Funktion, beispielsweise gehen ununterbrochen Telefonate für Wirtschaftsminister Gerhard Pohl (CDU) ein. Der Grund: Der Minister im Amt des Ministerpräsidenten, Klaus Reichenbach (CDU), hat die Räume der ehemaligen PDS-Wirtschaftsministerin Christa Luft bezogen.
Auch im Kulturministerium unter CDU-Politiker Herbert Schirmer herrschte Ratlosigkeit. Eine Mitarbeiterin der Pressestelle war den ganzen Tag damit beschäftigt, Journalisten zu vertrösten. „Wir haben noch keinen Kontakt mit unserem neuen Minister.“
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