: Totalverweigerer
■ betr.: "Keine Gnade für Desertör Streck", taz vom 7.4.90
Betr.: „Keine Gnade für Desertör Streck“, taz, 7.4.90
Wider die Vereinzelung! - Von den Strafgerichten und in der bürgerlichen Presse werden totale Kriegsdienstverweigerer immer als „Einzelfälle“ abgehandelt, die in keinen politischen Zusammenhängen stehen. Das hat Methode! Und die taz spielt dabei mit. Die taz verschweigt, daß ich am 1.10.86 zusammen mit dem ersten Hamburger Totalverweigererkollektiv (4 ) den Zivildienst verweigerte. Warum? Sie spricht von „protestierenden Freunden des Totalverweigerers“ in der Bürgerschaft und nicht von den Desertören, der Hamburger Gruppe aller Totalverweigerer, die gegen das skandalöse Abstimmungsverhalten der AbgeordnetInnen (7 gegen den Rest) aufmerksam machten. Warum? Zudem erwähnt die taz nicht einmal, daß Arnim Berhorst aus Solidarität mit mir an diesem Tag aus dem Zivildienst desertierte und sich den Desertören anschloß! Aber wenn schon Einzelfallberichterstattung, dann bittschön richtig! In Hamburg wurde mit dieser Entscheidung ein Präzedenzfall geschaffen. Ich bin der erste totale Kriegsdienstverweigerer, der in Hamburg in den Knast weggesperrt werden soll. Das ist schlicht eine riesige Sauerei, die Justiz, Senat & Bürgerschaft zu verantworten haben.
Statt eines Freispruches - zehn Monate Knast! Statt Gnade - gnadenlose Vergeltung & Abschreckung! Nach herrschender Meinung, die bekanntlich die Meinung der Herrschenden ist, sind wir Desrtöre Staatsfeinde. Wir greifen mit unseren Aktionen ihre Wehrpflicht und ihre Bundeswehr an und sabotieren dadurch die militärische „Landesverteidigung“ ihres Vaterlands. So weit, so gut, aber leider noch nicht erfolgreich! In Berlin konnten die Totalverweigerer die Auslieferung des Kriegsdienstverweigerers Gerhard Scherers in einen BRD-Knast (JVA Rottenburg) durch den SPD-Senat (Polizeisenator Pätzold) nicht verhindern. Und die AL? Sie schluckte die Kröte tKDV! In Hamburg konnte die ausschließlich sozialdemokratisch besetzte Senatsgnadenkommission mein Gesuch ablehnen (14.12.89) und die gesamte SPD -Bürgerschaftsfrktion (keine Ausnahme!) konnte gegen meine Petition votieren und zudem eine Debatte über tKDV im Hamburger Rathaus unterbinden, ohne daß die Desertöre und SympathisantInnen diese politische Entscheidung so zuspitzen konnten, daß sie von mir ihre schmutzigen Hände lassen würden. Da half auch nicht die Solidarität der GAL. - Diese Fälle zeigen, was vom sozialdemokratischen Bekenntnis zum Frieden zu halten ist. SozialdemokratInnen haben radikalen Pazifisten den Kampf angesagt. Auch das hat Tradition! Abschreckung für den Frieden - AntimilitaristInnen in die Knäste. Und der taz-Journalismus vollzieht den Anschluß an die Berichterstattung über tKDVer der bürgerlichen Presseerzeugnisse nahtlos!
Heiko Streck, c/o Hamburger Gruppen totaler KDVer, Nernstweg 32-34, 2 HH 50
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