: Linksverdacht- freie Redaktions- (t)räume?
■ betr.: Arno Widmann "Unter den Linden", taz vom 7.4.90
Betr.: Arno Widmann „Unter den Linden“, taz v. 7.4. (Magazin)
Platte Denunziation der Schriftstellerlinge Stefan Heym und Chrisa Wolf und wahrhaftige Abscheu vor dem Reich des Bösen in der DDR (ihr Land? nein: unser Land) kennzeichnen die Ausführungen Dr. Widmanns. Will hier mal wieder einer von seiner K-Gruppen-Vergangenheit durch erhöhte Anpassungsbereitschaft freigesprochen werden? Der Artikel gibt vor, eine Kritik des Aufrufs zum Erhalt einer eigenständigen DDR-Gesellschaft zu sein, ist aber in Wirklichkeit ein probater Persilschein für den Wechsel in von Linksverdacht freie Redaktionsräume.
So spricht Widmann in seiner Entgegnung auf die Besorgnis
Heyms „„interessierte Kreise“ versuchten einen Keil zwischen die Schriftsteller und das Volk zu treiben“ von Heymscher „Selbstüberschätzung“, „wenn er denkt, die Herren nähmen ihn und seinesgleichen so wichtig“. (...) Dabei von „bösen Konzernknechten im Westen“ zu sprechen, zeigt, daß Widmann an die in den 70er Jahren erschöpfend erörterte Funktion kapitalistischer Massenmedien und ihre Ausschaltung radikaler Kritik nicht erinnert werden will. Wie war noch gleich die Argumentation, als die tageszeitung gegründet werden sollte? Ähnlich und nicht von ungefähr hat J. Fischer neulich von der Ideologie des „bösen Kapitalisten“ gesprochen, nach der Methode der Alten: Such Dir einen schlechten Manichäer und schimpf auf die Manichäer. Die nächsten Jahre gesellschaftlicher Entwicklung werden weisen, ob die Unterzeichner Heym und Christa Wolf die Idioten gewesen sind, für die sie Widmann in seiner Einfalt hält. Um auf das Niveau A.W.s zu kommen, Zitat: „jeder vernünftige Mensch, der die Wahl hat, zwischen Fabrik und Eigenheim, wird sich für das Eigenheim entscheiden.“ In den nächsten Jahren werden sicherlich geistig wache Instrukteure in Arbeitslosenzentren des ehemaligen DDR-Gebietes gebraucht, die den Leuten beibringen, wie sie, ohne in die Fabrik zu gehen (schon erreicht wg. Arbeitslosigkeit) zum Eigenheim kommen. Also: auf nach drüben.
Robert Lederer, Bochum
Ich finde auch, daß Christa Wolfs und Stefan Heyms Aufruf wie die meisten anderen Aufrufe von „Unterschriftstellern“ übrigens auch - nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluß sind. Arno's Bemerkungen dazu sind jedoch der TAZ nicht würdig - sie hätten besser in Bild, Welt oder Stürmer gepaßt. Arno hätte sich lieber selber in die Hose pinkeln sollen, anstatt Christa und Stefan mit deren ollen Kamellen, die diese vor Jahren und von denen sie sich längst distanziert haben, verzapft haben, ans Bein zu pinkeln (aber seit wann ist der 26. November 89 schon Jahre her? d.s.in). So etwas ist mieser Journalismus. Herr Widmann sollte sich mal bei seinen Kolleginnen Constanze Pollatschek und Maria Pally erkundigen, wie man/frau guten Journalismus macht (wer wird denn da gleich alles über einen Kamm scheren wollen? - d.s.in). - Wäre der gute Arno doch bei seiner Esoterik-Kacke geblieben, für die interessiert sich sowieso kein Schwanz. (s.o. - d.s.in)
Heinz, Stuttgart
Lieber Arno Widmann,
als ich Ihren Artikel in der taz vom 7.4. las, saß ich beim Frühstück in er Eierschale in der Rankestr.... (Berlin W. - d.s.in) Gerade von einer 14tägigen Reise aus der DDR zurückgekehrt - mit Endstation Ost-Berlin -, hatte ich größte Mühe, die erschütternden Eindrücke zu verarbeiten. West-Berlin ist einem in einer solchen Situation geradezu eine Offenbarung; man kann den Westen nur dazu beglückwünschen, daß er diese Exklave nie aufgegeben hat - schon der WBer (WestBerlinerInnen - d.s.in) wegen.
Als Sie diesen Artikel schrieben und zur Veröffentlichung freigaben, werden Sie wohl gewußt haben, was auf Sie zukommen wird: (Er wird darauf händereibend warten d.s.in) Schmähbriefe, von Borniertheit und Ignoranz triefend, bestimmt bestes Anschauungsmaterial über die Geistes- und Gemütslage der (Gesamt-)Deutschen Linken. Vielleicht wird in der taz nun eine ganze Serie von Entgegnungen - hoffentlich auch Verteidigungen - anheben; man kennt das ja. Meiner uneingeschränkten Sympathie und Zustimmung können Sie sicher sein; bei mir wäre der Artikel eine noch gnadenlosere Abrechnung geworden. Es ist jedenfalls gut zu sehen, daß die bundesdeutsche (WBer) Linke noch nicht völlig den Verstand verloren hat. Es ist zu hoffen, daß der Anblick dieser unsäglich verrotteten DDR wenigstens einige - vielleicht auch Wortführer - der Linken zur Räson bringt. Diese haben ähnlich den Tätern und Mitmachern in der DDR, über Jahrzehnte unsägliche Schuld auf sich geladen, indem sie vor diesen Verrottungen die Augen verschlossen haben. Die „Wallfahrten“ sozialdemokratischer und grüner Linker zu Erich Honnecker sind nur in bitterer Erinnerung. - Ich selbst bin 1958 als 10jähriger aus dem Vogtland in die BRD gekommen. Schier unerträglich ist es für mich, diese trostlose Verkommenheit zur Kenntnis nehmen zu müssen.
P.S.: In den letzten Tagen hat sich in mir der Gedanke verfestigt, ein (gesamt-)deutsches Neues Forum auch für die BRD zu gründen. Ich glaube, daß weder die herkömmlichen Linksparteien, noch die Altparteien (und ihre Ableger) die Integrität haben, in dieser entscheidenden Situation prinzipienfest zu handeln.
Hans-Jürgen Michel, Bederkesa
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