: 1:1 und 10:1
Währungsreform 1948: Verschiedene Umtauschkurse waren durchaus möglich / Zunächst gewaltige Inflation ■ Währungsunion leicht gemacht - wir erinnern uns:
Der Zeitpunkt, da die Währungsunion in Kraft treten wird, gilt für viele als das Ende der DDR. Die Wirtschaft, insbesondere der Geldumlauf wird nicht mehr aus Ost-Berlin gesteuert, sondern aus Bonn beziehungsweise Frankfurt, dem Sitz der Bundesbank. Auch am Anfang der DDR stand eine Währungsreform: Die Einführung der D-Mark in den damaligen Westzonen 1948, die die Ostzone seinerzeit zum Nachziehen zwang - der Beginn getrennter Wirtschaftsräume.
Das deutsche Geldvolumen war von 60 Milliarden Reichsmark 1938 auf rund 300 Milliarden RM bei Kriegsende angewachsen. Die Besatzungsmächte hatten zusätzlich eigenes Besatzungsgeld gedruckt - die Sowjets in unkontrollierbarem Umfang. Preis- und Lohnstopps und Devisenbewirtschaftung bei gleichzeitiger Warenknappheit auf allen Gebieten hatten zur Entstehung schwarzer Märkte geführt. Das Papiergeld war zeitweilig seiner Funktion als Tauschmittel entkleidet eine Zigaretten-Währung war entstanden (1 Zigarette 7 RM). Die von den Alliierten im Jahre 1945 auf etwa 400 Milliarden RM geschätzte Reichsschuld mußte auf ein für die Finanzwirtschaft erträgliches Maß reduziert werden. In geheimen Expertengesprächen - anfangs noch unter Mitwirkung der sowjetischen Besatzungsmacht - nahm die Währungsreform Gestalt an. Es waren vor allem vier Gesetze, die das westdeutsche Geldwesen regulierten: das Währungsgesetz vom 18. 6. 1948, das mit Wirkung vom 21. 6. die Deutsche-Mark -Währung einführte, das gleichzeitig verkündete Emissionsgesetz, das der Bank Deutscher Länder das Notenausgaberecht verlieh und Vorschriften über Mindestreserven enthielt (zunächst beschränkte man die Emission auf zehn Mrd. DM), ferner das Umstellungsgesetz vom 26. Juni und schließlich - im Oktober - das Festkontengesetz.
Jedermann erhielt am Stichtag einen Kopfbetrag von 40 DM, später noch einmal 20 DM. Binnen sechs Tagen war alles Altgeld abzuliefern und im Verhältnis 10:1 umzutauschen, wobei allerdings die Hälfte dieser Beträge zunächst auf einem Festkonto verbucht wurde. Löhne, Gehälter, Renten, Mieten und Verbindlichkeiten, die nach dem Stichtag eintraten, sollten 1:1, RM-Forderungen grundsätzlich 10:1 umgestellt werden. Unternehmungen erhielten Übergangshilfen für geschäftliche Zwecke - 60 DM je Arbeitnehmer. Länder und Gebietskörperschaften bekamen DM-Beträge in Höhe von einem Sechstel ihrer Ist-Einnahmen während des Halbjahres Oktober 1947 bis März 1948.
Über Nacht waren die Schaufenster gefüllt. Schlagartig öffneten die Fabrikanten und Händler ihre Lager. Die Währungsreform konnte Erfolg haben und Vertrauen zu dem neuen Geld erwecken, weil ein annäherndes Gleichgewicht zwischen der monetären Nachfrage und dem Güterangebot eintrat. Allerdings veranlaßte der gewaltige Nachholbedarf die Käufer, mit dem neuen Geld sofort auf den Markt zu gehen. Eine hohe Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und eine steigende Geldmenge rief einen starken Preisanstieg hervor, zumal das Warenangebot unter dem Eindruck hochgesteckter Preiserwartungen zeitweilig wieder stockte. Hatte der Preisindex für Verbrauchsgüter (1938 100) am Stichtag den Stand von etwa 150 aufgewiesen, so stieg er auf 185 Ende 1948. Im Frühjahr 1949 konnte die Politik der Notenbank die Preissteigerungen wieder langsam eindämmen.
Die sowjetische Militäradministration verkündete am 23. Juni - also unmittelbar nach dem Schritt der westlichen Besatzungsbehörden - eine Geldreform für ihre Zone: Mit Wirkung vom 24. Juni galten in der Sowjetzone und in Berlin alte Reichsmark- und Rentenscheine mit aufgeklebten Spezialkupons als neue Zahlungsmittel. Alles Altgeld sollte bis zum 28. Juni abgeliefert und im Verhältnis 10:1 umgetauscht werden. Ein Kopfbetrag von 70 DM wurde 1:1 eingewechselt. Volkseigene Betriebe, sowjetische Aktiengesellschaften und andere staatlich oder von der Einheitspartei kontrollierte Unternehmungen wurden bevorzugt mit neuen Zahlungsmitteln ausgestattet.
Aus: Manfred Rexin: Die Jahre 1945-1949
Klassencharakter
Mit Hilfe von Währungsreform versuchen kapitalistische Staaten, ihre Währung zu stabilisieren. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in kapitalistischen Ländern Währungsreformen durchgeführt, die zu erhöhten Belastungen der Werktätigen (höhere Steuern, Sparverluste) und zur Reduzierung ihres Lebensstandards führten. Die separate Währungsreform in den Westzonen (Juni 1948) setzte die einheitliche deutsche Währung einseitig außer Kraft und bedeutete die bis dahin schwerwiegendste Verletzung des Potsdamer Abkommens durch die imperialistischen Westmächte und die reaktionären Kräfte in Westdeutschland. Der Klassencharakter der separaten Währungsreform zeigte sich u.a. in der offenen Begünstigung der imperialistischen Kräfte, während sie die Werktätigen schwer belastete. Gleichzeitig wurden auch widerrechtlich die Westsektoren Berlins in die separate Währungsreform einbezogen. Die notwendig gewordene Währungsreform in der damaligen sowjetischen Besatzungszone wahrte die Interessen der Werktätigen. Sie schöpfte die noch vorhandenen Kriegsgewinne und durch Spekulation erworbenen Gelder ab und führte durch die Stärkung der volkseigenen Betriebe zur Stabilisierung der Wirtschaft.
Aus: Kleines politisches Wörterbuch, Dietz-Verlag, Ost -Berlin, 1973
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