: Neue Hindernisse für Schacht Konrad
Nach der Inbetriebnahme des Atommüll-Endlagers bei Salzgitter würde Braunschweig über die zulässige Grenze belastet ■ Von Hannes Koch
Berlin (taz) - Wenn das Atommüllendlager Schacht Konrad bei Salzgitter in Betrieb geht, gilt die Strahlenschutzverordnung nicht mehr für alle BundesbürgerInnen. Das geht aus einer Studie der atomfreundlichen Kölner Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) für Bundesreaktorminister Töpfer hervor. Die GRS -Autoren haben errechnet, daß AnwohnerInnen des Rangierbahnhofs Braunschweig mit einer jährlichen „Ganzkörperdosis“ von 40 Millirem radioaktiver Strahlung zu rechnen haben, wenn nach der Inbetriebnahme von Schacht Konrad täglich die Atomtransporte rollen.
Das in der Strahlenschutzverordnung festgeschriebene „30 -Millirem-Konzept“ mutet der Bevölkerung in der Umgebung von Atomanlagen lediglich 30 Millirem pro Jahr zu. Rangierer und Lokführer der Bundesbahn bekommen nach der GRS-Studie sogar 130 Millirem ab. Das Gutachten sollte den Betreibern ursprünglich als Argumentationshilfe im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren dienen. Um den an den Transportstrecken gelegenen Kommunen wie Vechelde und Braunschweig keine Munition zu verschaffen, hält die GRS die Studie jetzt offenbar unter Verschluß. Der Zwischenbericht, der der taz vorliegt, böte den Anliegergemeinden die Möglichkeit, die Aufnahme der Transportproblematik in das Konrad-Verfahren zu verlangen.
„Ein Akw mit diesem Wert wäre nicht genehmigungsfähig“, kommentierte Wolfgang Neumann von der „Gruppe Ökologie“ (GÖK) in Hannover das Eingeständnis der GRS. Die GÖK, die selbst als Gutachterin im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für das Endlager für schwach- und mittelaktiven Atommüll tätig ist, geht sogar von einer noch höheren Belastung der AnwohnerInnen des Braunschweiger Bahnhofs aus. Das Minister Töpfer unterstellte „Bundesamt für Strahlenschutz“ plane nämlich einen Zweischichtbetrieb für die Einlagerung des Atommülls, während die Berechnungen der GRS nur von einer Arbeitsschicht am Tag ausgeht. Damit ergebe sich eine Verdoppelung der Belastung im westlichen Einfahrbereich des Braunschweiger Rangierbahnhofs auf 80 Millirem, sagte Neumann. Die GRS errechnet für alle anderen Nachbarn der Gleisanlagen und Bahnhöfe Belastungen unterhalb der 30-Millirem-Grenze.
Töpfers Gutachter präsentieren auch die Anzahl der insgesamt zu erwartenden Transporte: 137.600 „Transporteinheiten“ in 40 bis 50 Jahren. Das entspricht fünf bis zehn Eisenbahnwaggons pro Tag und bis zu fünf Lkws. Das Gutachten, das die Kölner Strahlenforscher ursprünglich bereits im Sommer 1989 abliefern sollten, enthält bisher keinerlei Berechnungen über die Belastungen der Bevölkerung nach Transportunfällen.
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