: Nato soll osteuropäische Gäste aufnehmen
Deutsche Einigung zur Beschleunigung der Abrüstung nutzen, schlägt SPD-Politiker Karsten Voigt vor / Sowjets sollen trotz gesamtdeutscher Nato-Mitgliedschaft in der DDR bleiben / Europäische Umwelt-Standards und Abschaffung der Cocom-Liste verlangt ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Eine gesamtdeutsche Nato-Mitgliedschaft ist für die Sowjetunion nach Ansicht des SPD-Außenpolitikers Karsten Voigt dann akzeptabel, wenn gleichzeitig Schritte zum Aufbau einer neuen europäischen Sicherheitsordnung getan werden. Auch das angestrebte Ziel einer Auflösung der Nato könnte von den USA hingenommen werden, wenn der Abbau der bisherigen Bündnisse begleitend „überwölbt“ würde von bereits funktionierenden neuen Sicherheitsstrukturen, sagte Voigt gestern in Bonn vor JournalistInnen. Der Bundestagsabgeordnete bezog sich auf Gespräche mit sowjetischen und amerikanischen Politikern.
Die für den Herbst geplante KSZE-Folgekonferenz solle einen ständigen europäischen Rat der Außen- und Verteidigungsminister einrichten. Dieser solle innerhalb von zwei Jahren ein Sicherheitskonzept erarbeiten. Bei der Verwirklichung rechnet Voigt allerdings mit einem „relativ langfristigen Zeitraum“.
Um über die deutsche Einigung die Entwicklung einer europäischen Friedensordnung zu beschleunigen, schlägt Voigt in einem Bündel von Maßnahmen vor, daß ein Gesamtdeutschland nicht mehr Truppen besitzen sollte, als der Bundesrepublik als Ergebnis der Wiener Abrüstungsgespräche allein zugestanden werden. Auch nach dem Zusammenschluß sollten amerikanische Truppen in der BRD und sowjetische Truppen auf dem Gebiet der DDR stationiert bleiben. In der ehemaligen DDR dürften lediglich Verbände einer „defensiven deutschen Territorialverteidigung“ stationiert werden, die nicht der Nato unterstellt sind. Ein vereinigtes Deutschland müßte außerdem völkerechtlich verbindlich auf den Besitz von ABC -Waffen verzichten.
Für die Nato fordert Voigt die Aufgabe der bisherigen Strategie der „flexible response“ und den Abzug aller Atomwaffen von deutschem Boden. Notwendig sei nach erfolgreichem Abschluß der laufenden Wiener Abrüstungsgespräche eine zweite Phase des Abrüstungsabbaus und der „Defensivierung“ der Militärstrategien und Kriegspotentiale. Die Nato-Versammlung soll darüberhinaus auch den osteuropäischen Ländern Gaststatus gewähren, deren Regierungen demokratisch gewählt wurden.
Zur Überwindung der politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Spaltung Europas schlägt der Obmann im außenpolitischen Ausschuß der SPD-Bundestagsfraktion außerdem vor, die KSZE-Folgekonferenz solle einen ständigen europäischen Rat der Umwelt-, Justiz- und Wirtschaftsminister einrichten. Neben der Vereinbarung europaweit rechtlich verbindlicher Umweltstandards müsse vordringlich die Cocom-Liste abgeschafft werden, die den Export von Hochtechnologien in den ehemaligen Ostblock verhindert und insbesondere bei einer deutschen Einigung „obsolet“ geworden sei. An Stelle des Cocom-Regimes solle eine gesamteuropäische Kontrolle des Exports von Wirtschaftsgütern treten, die zur Herstellung von Waffen dienen könnten, schlägt Karsten Voigt vor.
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