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Nur wer schwer hebt, hat ein Gewissen

■ Bundesamt lehnt Zivildienstplatz ab, weil „erhebliche psychische und körperliche Belastung“ nicht gegeben ist

Das gute Gewissen scheut keine Mühsal, um sich zu beweisen. Erst die entbehrungsreiche Fron trennt die Aufrechten von den Scheinheiligen. Wer also reinen Herzens den Kriegsdienst in dieser Armee verweigert, der wird frohen Mutes alle erdenklichen Qualen auf sich nehmen und 20 lange Monate mit Optimismus und Hingebung alt gewordene Hintern säubern, gebrechliche Münder füttern und halb tot gefahrene Leiber in den Operationssaal kutschieren.

Damit sich aber in diese Schar junger Märtyrer (genannt die Zivildienstleistenden) keine Drückeberger einschleichen, die alle paar Wochen das Feuerwehrauto waschen oder gar aus Langeweile politische Dinge anfangen, gibt es den Großinquisitor (genannt Bundesamt für den Zivildienst). Der stellt die Regeln auf zur Genehmigung von Zivildienststellen. Gestreng sind die Kriterien, gewissenhaft wird der „Bedarf“ geprüft. Nichts wird da zugelassen, was nicht in den „sozialen Bereich“ fällt.

Doch auch dieses Netz ist noch zu weitmaschig, wie das Beispiel von OF-Fährte, einem Bremer Verein für Freizeit, Reisen und Kultur zeigt. Die hatten Anfang

des Jahres eine Beschäfti gungsstelle für den Zivildienst beantragt - eine Idee, die alle Ablehnungsphantasien des Großinquisitors mobilisierte. Daß die Tätigkeit bei OF-Fährte im sozialen Bereich „anzusiedeln“ sei, ließ sich nicht absprechen - aber: „Auch die Beschränkung auf den sozialen Bereich ist noch ein unzureichender Filter“, schrieb das Bundesamt für den Zivildienst nun an den Verein. Denn: „Zur Bedarfsdeckung reicht es vollkommen aus, wenn nur Beschäftigungsstellen des 'engeren sozialen Bereichs‘ anerkannt werden“.

Glücklich kann sich das Amt in Köln schätzen, denn erstens hat es das Monopol und zweitens genug Angebote. 114.000 Zivildienstplätze gibt es derzeit in der Bundesrepublik und das ist die beste Voraussetzung, die Abschreckungswaffe einzusetzen. Also wird dem Bremer Verein gar nicht mal bedauernd mitgeteilt, daß es mit der Zivi-Stelle nichts wird, weil: “...es jedenfalls ein sachliches Kriterium ist, nur noch Beschäftigungsstellen und Zivildienstplätze anzuerkennen, die ein erhebliches Maß an psychischer oder körperlicher Belastung beinhalten.“ Nur so sei die „Probe auf die Echtheit der Ge

wissensentscheidung“ gewährleistet. Damit auch keiner auf die Idee kommt, die Arbeit in einem sozialpädagogischen Verein zu diesen Belastungen zu rechnen, scheut das Amt nicht vor genaueren Angaben zurück. OF-Fährte bekommt folgendes zu lesen:

„...müssen hingegen körperliche Belastungen durch regelmäßiges schweres Heben und Tragen vorliegen“.

Begründet wird die Entscheidung mit der notwendigen „Gleichbehandlung“ mit der Bundeswehr. Schließlich muß der

argen psychischen Belastung, denen junge Soldaten an öden, langen Kasernenabenden mit verzehrendem Alkoholkonsum in ausschließlicher Männerrunde ausgesetzt sind, etwas Gleichbelastendes entgegenstehen.

Andreas Hoetzel

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