„Wir haben nicht vor, Selbstmord zu begehen“

■ Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier äußert sich zu einer möglichen Neustrukturierung der Bundesländer

Bremen (taz) - Hamburgs Bundessenator Gobrecht schlug am Mittwoch vor, in einem vereinigten Deutschland solle es künftig nur fünf Bundesländer im Westen und zwei im Osten geben. Bremen soll nach Gobrechts Vorstellungen in einem gemeinsamen norddeutschen Bundesland mit Hamburg, Schleswig -Holstein und Niedersachsen aufgehen.

taz: Was halten Sie von Gobrechts Vorschlägen?

Klaus Wedemeier: So eine Diskussion darf man erstens nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg führen. Und zweitens sollten wir nicht auch noch so tun, als müßten wir der DDR jetzt vorschreiben, welche Länder in der DDR entstehen. Daß das jetzt auch ein Sozialdemokrat macht, enttäuscht mich.

Ähnliche Ideen haben aber auch Ihre Kollegen Albrecht und Wallmann geäußert. Das zielt ja nicht nur auf die DDR ab.

Die Kollegen drücken sich aber allgemeiner aus. Sie sagen, wir müssen nachdenken. Das akzeptiere ich. Aber ich akzeptiere nicht, daß jemand meint, er müsse Vorschläge unterbreiten, die darauf abzielen, den Paragraphen 29 aus der Verfassung zu streichen. Dieser Artikel garantiert der Bevölkerung eines Bundeslandes selber zu entscheiden, ob das Bundesland aufgelöst werden soll. Hier mißachtet Gobrecht das plebiszitäre Element - während die SPD ein Programm verabschiedet, in dem dieses Element gestärkt werden soll.

Aber Gobrechts Argument hat doch etwas für sich. Er sagt sinngemäß: „Die überschuldeten Länder wie Bremen und das Saarland geraten bei einer Vereinigung in die volle Abhängigkeit der Bundesregierung. Es braucht starke Länder, um das föderative Element zu stärken.“

Aber er übersieht völlig, warum auch Hamburg überschuldet ist. Wir sind ja nicht deshalb überschuldet, weil wir wirtschatlich weniger leistungsfähig wären, sondern weil wir zuviel von den Steuern, die in Bremen erarbeitet werden 100.000 Niedersachsen arbeiten in Bremen - abgeben und dafür nicht genügend aus dem Länderfinanzausgleich zurückbekommen. Das ist keine Frage der wirtschaflichen Leistungsfähigkeit, sondern der Verteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Dennoch könnten große Bundesländer sicherlich leichter einen Ausgleich zwischen starken und schwachen Wirtschaftsregionen schaffen.

Generell ist das richtig. Dazu ist aber zweierlei zu sagen. Erstens lebt ein föderales System von der Vielfalt und der Verschiedenartigkeit der Länder und nicht davon, daß es fünf oder sieben gleich starke Länder gibt, so wie Gobrecht das erträumt. Das nenne ich nicht mehr Föderalismus. Und zweitens: Es mag ja sein, daß Norddeutschland es insgesamt etwas leichter hat. Das gilt aber nur oberflächlich. Gobrecht weiß genau, daß Hamburg dann als Metropole des Nordens darüber entscheidet, wo Ländersteuern investiert werden zum Beispiel im Hafenbereich. Den Rest können Sie sich ausrechnen. Heute können wir unsere Mittel für lebensnotwendige Investitionen in den Häfen ausgeben. Keine Zentralregierung Norddeutschlands wird die Steuern so verteilen, daß alle Häfen aufrecht erhalten werden. Das bedeutet: Bremen wird dem Schicksal von Brügge entgegen gehen. Das war auch einmal eine sehr bedeutende Hafenstadt und ist heute eine Touristenstadt.

Aber ist das nicht gerade ein schlechtes Beispiel? Hier wird von den verschiedenen Bundesländern aneinander vorbeigeplant. Überall werden Häfen erweitert, und gleichzeitig sind die vorhandenen Häfen nicht ausgelastet.

Das ist richtig. Aber eine Gesamtplanung Küste im Sinne des Herrn Gobrecht würde dafür sorgen, daß nur noch Hamburg der zentrale Hafenplatz ist. Notwendig wäre, die Hafenaktivitäten zu koordinieren. Es wäre unsinnig, in Emden einen großen, neuen Hafen auf Kosten der Natur zu bauen, der nur Umschlag aus Cuxhaven, Bremerhaven oder Hamburg abziehen kann, mehr nicht. Da ist eine Abstimmung notwendig. Aber das Problem ist nicht dadurch zu lösen, daß man alles auf eine Stadt konzentriert. Und die Menschen in den anderen Städten, die vom Hafen abhängen, die läßt man schlicht hinten runterfallen.

Ihre Argumentation ist zunächst mal defensiv. Aber ist es nicht sinnvoll, über neue, bessere Lösungen nachzudenken?

Ich habe nichts dagegen, wenn die Hamburger sich zur Disposition stellen. Die Bremer haben eine etwas längere republikanische Tradition. Bremen jedenfalls wird sich nicht zur Disposition stellen. Wir wollen selbständiges Bundesland bleiben. Wir haben schon viele schwere Zeiten überstanden. Wir werden auch Herrn Gobrecht überleben.

Noch einmal zum Thema Finanzen: Sie werden kaum davon ausgehen können, daß die Bereitschaft der anderen Bundesländer und der Bundesregierung, mehr Geld nach Bremen zu überweisen, jetzt steigen wird. Eher weniger, weil es in der DDR dringendere Notwendigkeiten gibt.

Erstens: Der Aufbau der DDR ist nicht über den Länderfinanzausgleich zu finanzieren. Der muß über den Bund finanziert werden. Da sind sich alle Ministerpräsidenten einig. Ich bin davon überzeugt, daß die anderen Bundesländer bereit sind, Bremen angemessen zu unterstützen. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht die Stadtstaaten als Wunschkind der Verfassung bezeichnet. Wunschkinder bringt man eigentlich nicht um. Das Recht, Selbstmord zu begehen, hat natürlich jeder. Wir haben das nicht vor.

Interview: Holger Bruns- Kösters