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KARNEVAL IN BABELSBERG

■ Die 19. Internationalen Studententage an der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR

Wer im Berliner Forst am Griebnitzsee entlangspaziert, kann am gegenüberliegenden Ufer alte Villen sehen, die zu der ehemaligen Ufa gehören. Unter den heutigen Nutzern dieser hochherrschaftlichen Häuser befindet sich die „Hochschule für Film und Fernsehen der DDR Konrad Wolf“ (HFF). Von hier kommt seit über fünfunddreißig Jahren ein Großteil des Nachwuchses für Fernsehproduktionen, Spiel- und Dokumentarfilme der DDR, hier gingen Helke Misselwitz (Winter Ade) und Roland Steiner (Unsere Kinder) zur Schule. Und hier finden seit mittlerweile neunzehn Jahren die selbstorganisierten „Internationalen Studententage“ statt, zu denen Filmhochschulen aus Ost und zunehmend West eingeladen werden. Zugleich bietet die Veranstaltung den FilmstudentInnen die Möglichkeit, ihre neuesten Produktionen einem größeren Publikum vorzustellen.

Sogenannte „Kellerfilme“ gibt es an der Schule nicht, obwohl die StudentInnen Themen aufgriffen, die für ihre KollegInnen von Film und Fernsehen tabu waren. Das Problem bestand immer mehr darin, die Werke auch öffentlich zu zeigen. Hinzu kam, daß ein Teil der Schule im Grenzgebiet liegt und somit für ihr Betreten Sondergenehmigungen einzuholen waren. Die daraus resultierende Isolierung einer nur 200köpfigen StudentInnenschaft, oft beklagt und als störend empfunden, und die relativ freie Atmosphäre einer DDR-Kunsthochschule machten die „Revolutionsfilme“ möglich, für die die Schule beim letzten Internationalen Dokumentarfilmfestival in Leipzig die „Silberne Taube“ einheimsen konnte.

Inzwischen ist der Alltag wieder eingezogen. Die studentische Interessenvertretung heißt nun nicht mehr FdJ -Leitung, sondern Studentenrat. Politisch überholte Fächer sind weggefallen, ansonsten ärgert man sich über genau das gleiche Organisationschaos und den Wirrwarr von Befugnissen und Einschränkungen wie vorher. Noch immer hängt es von der jeweiligen Inititiativkraft der Einzelnen ab, wieviele Filme sie in der Zeit ihres Studiums macht.

Einmal im Jahr ist jeglicher Studienbetrieb lahmgelegt. Die Studententage ließen sich höchstens mit dem Karneval in Rio vergleichen: Dann geht gar nichts anderes mehr. Traditionell kommen alle bedeutenden Filmhochschulen der einstmaligen sozialistischen Länder Europas. Seit drei Jahren hat man auch durchgesetzt, westeuropäische Filmhochschulen nach Babelsberg einzuladen. In diesem Jahr sollte sogar die kubanische Hochschule San Antonio kommen, die sich nun allerdings entschuldigen läßt und nur ein paar Videos schickt. Nicht dabei ist dieses Jahr auch die FAMU Prag. Dort haben die StudentInnen offensichtlich zur Zeit andere Probleme zu bewältigen.

Für den eigentlichen Filmwettbewerb, der heute früh um 9 Uhr mit einem Filmblock der gastgebenden Babelsberger beginnt, ist das Thalia-Kino, gegenüber vom Bahnhof Babelsberg, angemietet worden. Die BesucherInnen erhalten neben dem Programm einen Fragebogen für die Wertung in die Hand gedrückt. Damit gehört man zur Jury und darf über die Tragfähigkeit der Grundidee und die künstlerische Umsetzung urteilen. Eine StudentInnenjury gibt es außerdem, sie vergibt seit vier Jahren einen Jurypreis. Anfangs waren das Ulkgeschenke wie ein Regiestuhl. Vor zwei Jahren wurde dann der „Friedrich“ aus der Taufe gehoben, nicht nur eine Persiflage auf den begehrten „Oscar“. Neben dem offiziellen Wettbewerb sind Diskussionen, Videojournale, Musik und Theater im Angebot der Studententage. An allen Abenden geht es bis tief in die Nacht und - nach bisherigen Erfahrungen auch sehr feucht-fröhlich zu.

Petra Markstein

Internationale Studententage vom 23. bis 27. April im Kino Thalia, Rudolf- Breitscheidt-Straße, und an der HFF, Karl -Marx-Straße 33, Potsdam. Ab 20 Uhr „Randale“ mit Video, Pantomime, Live-Musik.

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