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Der Deal mit den Stasi-Villen in Pankow

Vertraulicher Beschluß der Modrow-Regierung: SED-Kader können sich ihre Dienstvilla kaufen / Auch neue Prominente wie Markus Meckel (SPD) bekamen Villen in dem Ostberliner Stadtteil billig angeboten / Stasi-Offiziere verwalten heute noch den volkseigenen Besitz  ■  Aus Ost-Berlin Klaus Wolschner

Das Ministerium für Staatssicherheit war im SED-Staat für alles zuständig. Wenn es eine „Versorgungseinrichtung des Ministerrates der DDR“ gab, kurz VEM, die die Liegenschaften des Ministerrates verwaltete, dann kann man nach menschlichem Ermessen sicher sein, daß die Stasi ihre Finger drinhatte. Schon deshalb, weil die VEM die „Gäste der Partei - und Staatsführung“ zu betreuen hatte - das war vornehmste Aufgabe des MfS. Wie tief das MfS die Finger drin hatte, ist in den letzten Wochen bei dem Versuch, VEM-Villen an Nomenklaturakader des SED-Regimes und an verdiente Persönlichkeiten der Wendezeit billig zu verkaufen, den unermüdlichen Kontrolleuren vom Untersuchungsausschuß „Objekte“ des Runden Tisches Pankow klargeworden. Der taz liegen Dokumente aus dem Mielke-Ministerium von 1986 vor, aus denen hervorgeht: Die Verteilung des alten VEM-Besitzes liegt ganz offensichtlich in der Hand alter Stasi -Offiziere.

Geleitet wird die für die Stasi interessante Abteilung Recht und Grundstücksverkehr von einem Stasi-Offizier im besonderen Einsatz (OibE), Jürgen Erdmann. Er sitzt heute noch in seinem VEM-Verwaltungshaus am Majakowskiring 13 und leitet die Vergabe der volkseigenen Villen. Die Namen der alten Nomenklaturakader, die billig zur Miete wohnten, liest sich wie ein Who is who des alten stalinistischen SED -Apparates. Aber nicht nur der Wende-Generalsekretär Egon Krenz hat am Majakowskiring 9, ein paar Häuser neben Erdmann, noch kurz vor der Währungsunion eine moderne Villa zu dem bescheidenen Preis von 250.000 Mark der DDR erstehen dürfen. Auch Modrows Wirtschaftsministerin Christa Luft, die am 19.1.1990 dem gebeutelten Volk ein Stückchen Volkseigentum versprochen hatte, wohnt inzwischen in einem schicken Einfamilienhaus aus der Stasi-Liste.

An die Nachfolger der alten Nomenklaturakader wird gedacht, Begünstigungen verpflichten: Dem Ministerpräsidenten de Maiziere wurden mehrere Objekte angeboten, Außenminister Markus Meckel bekam ein Stasi-Objekt mit drei Garagen, zwei Bädern und Sauna angeboten. Auf den Rat von Freuden lehnte er ab, interessierte sich Anfang April aber für ein anderes Haus, Doppelgrundstück mit Teich. Meckel sollte für 47.500 Mark zum Kauf gelockt werden, plauderte eine Erdmann -Mitarbeiterin aus.

Im März hatte der SPD-Parteivorstand die Bereitstellung von akzeptablen“ Wohnhäusern für leitende SPD-Funktionäre beantragt. Meckel sagte am 19. April, als das Bürgerkomitee von dem Häuserschacher Wind bekommen hatte und die taz nachfragte: „Alles sollte auf Mietbasis laufen. Von einem Kaufvertrag und einem Kaufpreis weiß ich nichts. Aber wenn es möglich wäre, würde ich mich auch über den Widerstand der Bürgerkomitees hinwegsetzen und das Ding kaufen - allerdings nicht zu so einem Dumpingpreis.“ Seit Monaten versuchen Vertreter des Runden Tisches und des Bürgerkomitees, den Ausverkauf des Volkseigentums zu verhindern.

Aber Erdmann wird sich auf Rechtsgrundlagen berufen können. Am 14.Dezember 1989 schon hatte die Regierung Modrow einen „Beschluß über den Verkauf von Häusern, die sich in der Rechtsträgerschaft der ehemaligen VEM befinden“, gefaßt. Dieser Beschluß war mit dem Vermerk versehen: „Dieser Beschluß ist nach Realisierung zu vernichten, die Archivierung erfolgt durch den Herausgeber.“ Darin heißt es deutlich, „alle“ Einfamilienhäuser der VEM seien zu verkaufen. Modrow selbst wollte seinem Büro die Entscheidung vorbehalten, wer da begünstigt werden sollte. Am 30.Juni soll die VEM ein kommerziell geleitetes Dienstleistungskombinat der Regierung werden. Nachfolger des Leiters im Sekretariat des Ministerrates in Sachen VEM ist Herr Eckstein (CDU). Er bekam als Übergabe die saubere Liste aller noch in der Rechtsträgerschaft befindlichen VEM -Objekte. Stellvertreter des neuen Mannes ist ein alter: Dr. Behrends, seit Jahren auf diesem Posten und Kenner der Szene.

Der will die Residenz Niederschönhausen am 30.6. in eine Hotel-GmbH umwandeln. Der Leiter der gastronomischen Einrichtungen des Ministerrates, Richter, spekuliert dabei auf den Hotelchef-Posten. Auch er ist seit Jahren dabei, und es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn die SED die Gastronomie ihrer Partei- und Staatsgäste nicht einem erfahrenen und zuverlässigen MfS-Mann anvertraut hätte. Der neue Bürgermeister von Pankow, Buch-Petersen, fühlt sich und seine Bürger von einer Mafia ausgetrickst. Ganze fünf VEM -Gebäude (von insgesamt 140 allein in Pankow!) sind ihm geblieben. Was wird nun aus der Asthmaklinik, was aus der Klinik für Alkohol- und Drogenkranke? Was aus der Nachfolgeeinrichtung des Frauenhauses? Alles Projekte, die dringend ein Domizil benötigen.

Am Samstag gab es eine kleine Demonstration zum Haus Majakowskiring 13. „Da liegen die Kaufverträge drin“, sagt einer vom Bürgerkomitee. Die Rolläden gegen zuviel Licht sind heruntergelassen, nur ein kleiner Spalt scheint offen. Von außen hineingucken kann niemand.

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