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International durchs Brandenburger Tor

■ Heute gemeinsame Ost-West-Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit in Ost-Berlin / ImmigrantInnen mobilisieren gegen geplantes Ausländergesetz / MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes sollen sich gegen verordnete Bespitzelung von AusländerInnen wehren

Diese Aktualität hatten sich die Veranstalter nicht gewünscht: Wenn sich heute der Demonstrationszug von ImmigrantInnen, ausländischen ArbeiterInnen, Flüchtlingen und Deutschen am Alexanderplatz in Bewegung setzt, dann in dem Bewußtsein, daß am selben Platz vor wenigen Tagen Skinheads und Rechtsradikale mit „Ausländer raus„-Gebrüll Jagd auf Passanten gemacht hatten. Unter dem Motto „Menschenrechte sind unteilbar“ ruft das Aktionsbündnis „In und Ausländer gemeinsam“, ein Zusammenschluß von Gruppen aus Ost-und West-Berlin (siehe Interview), heute zu einer Demonstration auf. ImmigrantInnen, Flüchtlinge und WestberlinerInnen treffen sich um 16 Uhr am Brandenburger Tor und gehen gemeinsam zum Alexanderplatz, wo um 17 Uhr die Demonstration beginnt.

Auf der RednerInnenliste für die Abschlußkundgebung vor dem Roten Rathaus stehen unter anderem Almuth Berger, Ausländerbeauftragte der DDR, Bärbel Bohley vom Neuen Forum, Heidi Bischoff-Pflanz von der AL, DDR-Außenminister Markus Meckel und Gregor Gysi, Vorsitzender der PDS, die nun offensichtlich um eine konsequentere Antirassismuspolitik bemüht ist als in den Jahrzehnten zuvor ihre Vorgängerin SED.

Währenddessen mobilisieren ImmigrantInnengruppen verstärkt gegen das geplante Ausländergesetz. Am Donnerstag soll der Entwurf trotz massiver Einwände von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Ausländerbeauftragten und ImmigrantInnenorganisationen im Bundestag in dritter Lesung verabschiedet werden. Aus Angst, die Landtagswahlen in Niedersachsen am 13. Mai könnten möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zugunsten der SPD ändern und damit die endgültige Verabschiedung gefährden, hatte man den Gesetzentwurf in einem parlamentarischen Eilverfahren durchgepeitscht. Am 11. Mai soll nun der Bundesrat seinen Segen geben, am 7. Juli soll das Gesetz in Berlin übernommen werden.

Gestern gaben VertreterInnen von ImmigrantInnengruppen dem Berliner Innensenator den Gesetzentwurf mit einem klaren „Nein Danke“ zurück. (siehe Seite 21). Am Tag der Verabschiedung im Bundestag, dem 26. April, können BerlinerInnen mit und ohne deutschem Paß ihren Protest am Bankschalter zum Ausdruck bringen und möglichst viel Geld abheben. Die Aktion soll wiederholt und eventuell auf das Bundesgebiet erweitert werden.

Ebenfalls am 26. April rufen der DGB, das Aktionsbündnis gegen das Ausländergesetz, in dem unter anderem die AL und ein Zusammenschluß zahlreicher türkischer Gruppen und Vereine mitarbeiten, um 15 Uhr zu einer Protestkundgebung vor dem Fehrbelliner Platz auf. Allerdings erwiesen sich die diversen ImmigrantInnenorganisationen wieder einmal als unfähig, eine gemeinsame Veranstaltung auf die Beine zu stellen: also gibt es am gleichen Tag eine zweite Protestkundgebung, dieses Mal am Leopoldplatz um 18 Uhr. Es rufen auf die „Aktionsplattform gegen das Ausländergesetz“ und das „Bündnis gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus“.

Daß auch Deutsche vom Ausländergesetz betroffen sind - und zwar alle MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes -, ist bislang kaum thematisiert worden. Wer in Schulen, Ämtern, staatlichen Kindertagesstätten beschäftigt ist, wird im Fall der Verabschiedung des Gesetzes verpflichtet, alle Informationen, die zu einer Ausweisung eines Ausländers führen könnten, der Ausländerbehörde zu melden. Diese Form der allumfassenden Bespitzelung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen haben die „Humanistische Union“ und andere Bürgerrechtsgruppen scharf kritisiert. Die Humanistische Union ruft LehrerInnen, KindergärtnerInnen und andere Mitglieder des öffentlichen Dienstes dazu auf, jede Weitergabe von Informationen an die Ausländerbehörde zu verweigern.

anb

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