piwik no script img

Asbestsanierung wird abgespeckt

■ Der Westberliner Senat ist von dem 1988 beschlossenen Konzept zur völligen Sanierung von asbestverseuchten Gebäuden abgerückt / Methadonprogramm für Westberliner Süchtige wird erweitert / Die 130.000 Westberliner Sozialhilfeempfänger erhalten mehr Geld

West-Berlin. Zum ersten Mal seit Ostern trat gestern der Senat zu seiner allwöchentlichen Sitzung zusammen. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Asbestsanierung von öffentlichen Gebäuden, ein Methadon-Programm für Drogenabhängige und die Erhöhung der Sozialhilfesätze. Die Krawalle des vergangenen Wochenendes in beiden Teilen der Stadt wurden lediglich außerhalb der Tagesordnung besprochen und keinerlei offizielle Stellungnahme abgegeben.

Kein Geld für

Totalsanierung

In der Sitzung beschloß der Senat, einen Zwischenbericht von Bausenator Nagel (SPD) über die Asbestsanierung in öffentlichen Gebäuden anzunehmen. Diesem Bericht zufolge wird dem Abgeordnetenhaus vorgeschlagen, das ursprüngliche Sanierungsvolumen zu „relativieren“ und neben der totalen Ersetzung asbestverseuchter Gebäudeteile bis hin zum Abriß auch andere Verfahren anzuwenden, um die Kosten in einem „vertretbaren“ Rahmen zu halten. Das Abgeordnetenhaus hatte 1988 beschlossen, sämtliche Asbestprodukte zu ersetzen. Für die insgesamt 3.500 öffentlichen asbestverseuchten Gebäude in West-Berlin wäre ein Betrag von etwa 3 Milliarden Mark aufzuwenden, so Nagel. Allein 1,6 Milliarden seien notwendig, um Bildungs- und Schulzentren zu sanieren. Neben der vollständigen Entfernung sollen nun auch die Methoden der Versiegelung von verseuchten Asbestprodukten und die sogenannte „räumliche Trennung“ angewendet werden, das heißt verseuchte Teile werden mit anderen Materialien von der Umwelt abgetrennt. Ein gesondertes Sanierungsprogramm soll für die sogenannten Eternitplatten entwickelt werden, die in den 50er Jahren mit Vorliebe verwendet wurden.

„Die Asbestverseuchung ist das Ergebnis einer unzureichenden Umweltvorsorge in der Vergangenheit“, so Nagel, der Senat wolle deshalb in Zukunft darauf drängen, daß in den entsprechenden Baurichtlinien die Verwendung von umweltfreundlichen Stoffen vorgeschrieben wird. Bis jetzt seien in West-Berlin 176 Gebäude auf Asbest untersucht worden, bis zum Jahresende sollen es 300 werden. Der Senatsbeschluß geht jetzt wieder an das Abgeordnetenhaus.

Neues

Methadon-Programm

Für die circa 7.000 bis 8.000 Heroinabhängigen in West -Berlin wird es künftig ein erweitertes Therapieprogramm mit der Ersatzdroge Methadon geben. In dem Programm, für das in diesem Jahr 500.000 Mark im Haushalt eingestellt sind, soll in größerem Umfang als bisher Heroinsüchtigen die Chance gegeben werden, mit umfassender psychosozialer Unterstützung clean zu werden. Erfahrungen aus anderen Städten und Regionen hätten gezeigt, so Jugendsenatorin Klein (AL), daß ein Drittel der therapierten Fälle erfolgreich verlaufe. Im Vergleich zu anderen Therapiemethoden sei dies eine sehr hohe Erfolgsquote. Das Programm soll auf vier Säulen ruhen: Zum einen wird es eine Clearing-Stelle bei der Berliner Ärztekammer geben, unter deren Ägide schon seit 1987 Methadon-Therapien durchgeführt werden. Die Drogenberatungsstellen werden weitere Berater erhalten, die die psychosoziale Begleitung übernehmen, außerdem sollen auch Selbsthilfeinstitutionen den Patienten zur Seite stehen. Ausgebaut werden soll auch die stationäre Hilfe.

Eine Methadonbehandlung kann dann erfolgen, wenn eine ernsthafte Gesundheitsgefährdung vorliegt, bereits andere Therapieversuche erfolgt sind und der Patient geeignet erscheint. Mit dem Programm sollen in diesem Jahr ungefähr 70 Drogenabhängige betreut werden, im nächsten Jahr soll es um die Hälfte aufgestockt werden.

Sozialhilfesätze

werden erhöht

Auf der Grundlage neuer Messungen des Statistischen Bundesamtes in Bonn werden in Berlin zum 1. Juli die Regelsätze für Sozialhilfe erhöht. Ein neues Bedarfsbemessungssystem war von den Ministerpräsidenten der Länder im Oktober vergangenen Jahres beschlossen worden. Damit steigt der Regelsatz für Alleinstehende und Haushaltsvorstände von bisher 445 DM auf 462 DM, das heißt um 3,8 Prozent. Für weitere Familienmitglieder gelten in Zukunft folgende Sätze: Für Kinder unter 7 Jahren steigt der Satz von bisher 200 DM auf 231 DM, wenn sie von nur einem Elternteil erzogen werden, dagegen auf 254 DM. Bei Kindern von 7 bis 11 Jahren erhöht sich der Betrag von 289 auf 300 Mark, bei 11 bis 14jährigen sinkt er dagegen von 334 auf 300 Mark. 14 bis 18jährige Haushaltsmitglieder erhalten ab Juli 416 DM, als zweite Gruppe erhalten die 18 bis 21jährigen weniger als bisher: sie bekommen statt 401 jetzt 370 Mark. Insgesamt sind zur Zeit 130.000 Menschen in West-Berlin Sozialhilfeempfänger, im Haushalt 90 sind dafür 488 Millionen Mark festgeschrieben.

kd

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen