Ausländer vereinigen sich auf dem Alex

■ Kommunales Ausländerwahlrecht war das zentrale Thema auf der gemeinsamen Ost-West-Kundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit in Ost-Berlin / Meckel und Gysi sagten ab / Westberliner Demonstranten zogen ohne Kontrolle durch das Brandenburger Tor

„Ausländer, laßt uns nicht mit diesen Deutschen allein“ dieser sehnliche Wunsch brachte gestern etwa 2.000 in- und ausländische DemonstrantInnen aus Ost-und West-Berlin vor dem Roten Rathaus in Ost-Berlin zusammen. Mehrheitlich DDR -BürgerInnen und in der DDR lebende VietnamesInnen und MozambikanerInnen waren zuvor vom Alexanderplatz zum Sitz des Magistrats marschiert. Dort konnten einige leise Enttäuschung über die Beteiligung nicht verhehlen - ganz offensichtlich Nachwirkungen des Schocks über die Ereignisse am letzten Freitag. Viele hätten es sich nach den Überfällen von Skinheads und Neonazis letzten Freitag anders überlegt, so ein Iraker, der seit Jahren in der DDR lebt. „Da ist einfach Angst da.“

Sowohl DDR-Außenminister Markus Meckel, als auch der PDS -Vorsitzende Gregor Gysi waren ursprünglich auf der Rednerliste vorgesehen, ließen sich entschuldigen und durch ParteigenossInnen vertreten. Neben Redebeiträgen der Staatssekretärin für Ausländerfragen, Almuth Berger, und der AL-Politikerin Heidi Bischoff-Pflanz sowie von Vertretern vietnamesischer und mozambikanischer ArbeiterInnen waren vor allem die Repräsentanten politischer Parteien stark vertreten. Das deutliche Engagement - von CDU über SPD, PDS, Bündnis 90 und Grüner Partei - auf dieser Kundgebung war nicht weiter verwunderlich: Es herrscht Kommunalwahlkampf, und AusländerInnen dürfen am 6. Mai wählen und gewählt werden. Daß in einigen Bezirken der DDR die zuständigen Behörden davon nichts wissen wollen und Ausländer entsprechend zögerlich über ihre Rechte in Kenntnis setzen, wurden von mehreren RednerInnen gerügt. Die Westberliner Beteiligung fiel dagegen eher mager aus. Ein Häuflein von dreihundert Aufrechten hatte sich gegen 16 Uhr am Brandenburger Tor versammelt - Flüchtlinge, ImmigrantInnen und Deutsche. Die Grenzer praktizierten ausnahmsweise den vom deutsch-deutschen Innenministerpaar Diestel/Schäuble bereits angekündigten „Wegfall der innerdeutschen Grenzkontrollen“ und verzichteten auf die Ausweiskontrolle. Unter den teilweise erstaunten Blicken Ostberliner Passanten zog man über die Straße Unter den Linden zum Alex.

Einige hundert Meter entfernt - und offensichtlich in Unkenntnis der Kundgebung gegen Ausländerfeindlichkeit veranstalteten der Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Walter Momper, und der SPD-Spitzenkandidat für das Amt des Bürgermeisters von Ost-Berlin, Tino Schwierzina, Wahlkampf unter dem Motto „Aufschwung durch Einheit“. Ob die TeilnehmerInnen der Ausländerkundgebung den beiden SPD -Politikern noch einen unverhofften Besuch abstatteten, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

Von den Ereignissen am letzten Freitag unbeeindruckt zeigten sich gestern vor allem zahlreiche VietnamesInnen, die auf Transparenten ihre Forderung deutlich machten: „Keine Ausgrenzung, keine Abschiebung“. Ihre Situation wird Gegenstand von Gesprächen sein, die die Staatssekretärin für Ausländerfragen, Almuth Berger, demnächst in Hanoi mit der vietnamesischen Regierung führen wird.

anb