: Fehlende Sensibilität
■ betr.: "BRD: Drehscheibe für Menschenhandel", taz vom 7.4.90
betr.: „BRD: Drehscheibe für Menschenhandel“,
taz vom 7.4.90
Auch Euch scheint angesichts der medienweiten Konzentration auf Deutsch-Deutsches jegliche Sensibilität für Ausländer und Flüchtlingsfragen abzugehen. Anders kann ich mir beim besten Willen die unreflektierte Übernahme der 'ap'-Meldung über die Pressekonferenz des BGS am Frankfurter Flughafen nicht erklären. Wobei „erklären“ in diesem Falle nicht heißt, daß ich Verständnis für derartige Berichterstattung aufbringe.
Oder seid auch Ihr inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, daß unbegleitete Minderjährige aus Sri Lanka und dem Iran hierherkommen, um als „Wirtschaftsflüchtlinge“ an unserem sozialen Netz und Bildungswesen teilzuhaben. Fällt Euch bei Sri Lanka und Iran tatsächlich nichts anderes ein oder solltet Ihr über der Deutschlandeuphorie vergessen haben, wie die Menschenrechtssituation in diesen und anderen Ländern der Welt aussieht?
Habt Ihr ebenso vergessen, daß es sowas wie rechtliche Abschiebungshindernisse wegen drohender politischer Verfolgung, drohender Menschenrechtsverletzung oder der Bürgerkriegssituation in den Herkunftsländern dieser Kinder gibt - und eben nicht das Fehlen von Ausweisdokumenten der entscheidende Grund dafür ist, daß diese Kinder hierbleiben können.
Von den bestehenden Hürden für die Einreise von Flüchtlingen, wie der Visumspflicht für Hauptherkunftsländer und Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer, die auch dann für Menschen ohne gültiges Visum greifen, wenn diesen Inhaftierung oder Folter drohen, scheint Ihr auch noch nie etwas gehört zu haben. Deshalb fällt Euch dann auch nichts anderes ein, als die Aussagen des BGS über Schlepperorganisationen unkommentiert abzudrucken. Unerwähnt bleiben so die Rolle des BGS als „Einreisehindernis“ als auch die Tatsache, daß die Flucht mit Hilfe von Schlepperorganisationen oftmals eine Folge der oben beschriebenen Maßnahmen zur Einreiseverhinderung seitens der europäischen Regierungen ist.
Vielleicht würde ich mich weniger ärgern, wenn ich davon ausginge, Ihr wolltet zu dem politischen Klima beitragen, in dem ein neues Ausländergesetz in der Form, wie es derzeit im Bundestag diskutiert wird, auch verabschiedet wird. Da ich aber denke, daß Ihr um die gefährlichen Tendenzen für Flüchtlinge wißt, die dieser Gesetzentwurf wie auch die Überlegungen zu einer Abschottungspolitik auf europäischer Ebene in sich bergen, halte ich Eure Berichterstattung gerade zum jetzigen Zeitpunkt für mehr als sträflich. (...)
Katharina Lumpp, Bonn
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