piwik no script img

Ohne nennenswerte Versprecher

■ Manuel Puigs „Das Rätsel der Rosen“

Das Zimmer einer Luxusklinik. Patientin und Krankenschwester ertragen sich auf engstem Raum, Intrigen lassen nicht auf sich warten. Die Reiche im Bett ist dabei im Vorteil, denn sie hat das Geld. Auch macht die Krankenschwester einen Fehler: Sie erzählt von ihren Ängsten und Wunschvorstellungen. Zuviel Zutraulichkeit macht schwach, und die Patientin nützt das aus. Sie gibt vor, der Krankenschwester beim beruflichen Aufstieg helfen zu wollen, spinnt in Wirklichkeit aber tückische Ränke. Am Ende des perfiden Spiels will die Krankenschwester sich umbringen.

Wunschvorstellungen entlasten und machen das Leben erträglicher, verstellen aber auch den Blick auf die Realität. Das ist das Thema des heute fast sechzigjährigen argentinischen Romanciers Manuel Puig. Er führt das in seinen Romanen immer wieder vor, und auch sein jüngstes Theaterstück Das Rätsel der Rosen spielt mit den verschiedenen Ebenen von Realität, Traum und Illusion. Uraufführung war vor drei Jahren in London, jetzt wurde es einem deutschen Publikum zum ersten Mal in Wiesbaden vorgestellt, das heißt, es sollte vorgestellt werden! Nach der Aufführung hatte man eher den Eindruck, dem langsamen Erstickungstod eines Stückes beigewohnt zu haben. Puigs Kammerspiel selbst ist dafür nicht verantwortlich. Es ein glitzerndes Juwel der Theaterliteratur zu nennen wäre zwar übertrieben, aber immerhin stellt es die Bühnen vor die reizvolle Aufgabe, zwei Schauspielerinnen in verschiedene Rollen schlüpfen zu lassen: Die Vergangenheit von Patientin und Krankenschwester wird immer wieder lebendig, ihre Leichen aus der Familiengeschichte treten in einem gespenstischen Reigen aus dem Wandschrank des Krankenzimmers. Die eine schlüpft für die andere in die Rollen von Mutter, Tochter und Schwester. Das kann lebendig werden, am Hessischen Staatstheater kam einer jener Theaterabende heraus, in denen ein Text ohne nennenswerte Versprecher eleminiert wird: uninspiriert, lieblos und überflüssig. Einen gänzlich Unbekannten hat es nicht erwischt. Manuel Puig schrieb unter anderem den Roman Der Kuß der Spinnenfrau. Das brachte ihm die Ausweisung aus Argentinien ein, durch die Verfilmung wurde er Mitte der 80er Jahre weltweit bekannt. Damals ließ er einen politischen Häftling und den schwulen Molina in einer Zelle der Militärdiktatur zusammentreffen. Molina versuchte, sich die Situation durch die Flucht in die schillernde Welt eines Kinomelodrams erträglicher zu gestalten. Puigs jüngstes Theaterstück wartet in Deutschland noch auf einen phantasievollen Regisseur.

Jürgen Berger

Manuel Puig: Das Rätsel der Rosen. Hessisches Staatstheater Wiesbaden. Regie: Sebastian Heindrichs. Die nächsten Aufführungen: 4.5., 29. und 30.5.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen