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Postenschacher um Chamorros neues Kabinett

Künftige Regierung Nicaraguas von Technokraten und moderaten Politikern dominiert / Dona Violeta konnte sich mit ihren Vorschlägen nicht ganz durchsetzen / Unternehmerchef und Kaffeebaron als Minister / Kapitalistenlobby drängt auf Privatisierung der Staatsbetriebe  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Violeta Chamorro hat einige Gemeinsamkeiten mit Ronald Reagan: Auch sie muß ihre Ansprachen ablesen, und auch sie will komplexe Probleme mit einfachen Formeln lösen. So behauptet sie beharrlich, der Krieg würde durch die Abschaffung des Wehrdienstes beendet und die Wirtschaftskrise durch die Unternehmerfreiheit. Ihre ersten Dekrete werden die Abschaffung der Wehrpflicht und eine Generalamnestie sein: „Ich vergebe allen, auch den Mördern meines Mannes.“

Gleich nach der feierlichen Vereidigung im Stadion von Managua wird Dona Violeta unter Begleitung ausländischer Staatsgäste am Grab ihres Mannes einen Kranz niederlegen. Pedro Joaquin Chamorro - 1978 im Auftrag Somozas ermordet ist für die strenggläubige Katholikin neben Gott der wichtigste Berater. Politiker der Regierungsallianz „Uno“ kritisieren allerdings, daß die Chefin unter dem Einfluß ihrer irdischen Berater stehe. Frau Chamorro hält wenig von Parteien und viel von der Familie: Mit den meisten ihrer Berater ist sie verwandt oder verschwägert; allen voran Schwiegersohn Antonio Lacayo, ein Unternehmer, der wenig mit Politik zu tun hatte, bis er zu Dona Violetas Wahlkampfmanager ernannt wurde. Nach dem Wahlsieg leitete er das Gremium, das mit den Sandinisten einen reibungslosen Machtwechsel aushandelte und die Kabinettsliste zusammenstellte. Lacayo erwies sich als geschickter Taktiker, der Stabilität über Ideologie stellt und mit den sandinistischen Gesprächspartnern weniger Schwierigkeiten hat, als mit den Hardlinern im politischen Rat der „Uno“.

Ähnlich geht es dem Ex-Zentralbankchef der Revolutionsregierung und Ex-Mitglied im Contra-Direktorium, Alfredo Cesar, der wieder in der Politik mitmachen will. Cesar, der mit Lacayo verschwägert ist, soll für die nächsten Präsidentschaftswahlen 1996 als Kandidat aufgebaut werden. Das nötige Renomee für die Nominierung wollte er sich als Parlamentspräsident erwerben - ein Posten, der in Nicaragua mit einigen Vollmachten ausgestattet ist.

Allerdings unterlag er am Samstag in einer Kampfabstimmung unter den Abgeordneten der „Uno„-Fraktion gegen die konservative Veteranin Myriam Argüello, die von Vizepräsident Virgilio Godoy favorisiert wurde. Die Wahl Argüellos war die Reaktion des politischen Rates der „Uno“ für die Kabinettsbildung, von der die Politiker weitgehend ausgeschlossen waren. Cesar hatte ursprünglich erwogen, sich trotzdem im Plenum zu präsentieren und mit Leihstimmen der FSLN wählen zu lassen, doch verzichtete er auf dieses Manöver, um die Allianz nicht zu spalten.

Das künftige Kabinett wird von moderaten Politikern und Technokraten beherrscht werden. Allerdings konnte sich Violeta Chamorro nicht in allen Punkten durchsetzen: Zum Beispiel wird ihr Kandidat für das Außenamt, der Konservative Emilio Alvarez, nur Botschafter in Bonn.

Das prestigeträchtige Amt bekommt der Unternehmer Enrique Dreyfus, der bereits eine Vorstellungsrunde in Europa absolviert hat. Der Unternehmerverband COSEP setzte die Präsidentin ebenso unter Druck, wie der politische Rat der Koalition. Entgegen der ursprünglichen Planung wird COSEP -Chef Gilberto Cuadra, Inhaber eines Bauunternehmens, das Bauministerium übernehmen. Der Kaffeebaron Jaime Cuadra wird Landwirtschaftsminister.

Während die Leute um Violeta Chamorro für behutsame Reformen und - im Interesse der politischen Stabilität - für eine Art Kohabitation mit den Sandinisten eintreten, möchten die Unternehmer alle Staatsbetriebe privatisieren und würden die Comandantes am liebsten ins Exil schicken. An der Zusammensetzung des Kabinetts wird man ablesen können, ob Verständigung oder Konfrontation die künftige Politik bestimmen werden. Die endgültige Ministerliste war bis zum letzten Tag ein wohl gehütetes Geheimnis, da Dona Violeta von allen Seiten in die Zange genommen wurde.

Die heikelste Entscheidung ist zweifellos die Ernennung des Armeechefs und die Leitung des Verteidigungsministerium. Es galt bereits als ausgemacht, daß Humberto Ortega, der Bruder des bisherigen Präsidenten, sein Amt behalten kann. Am Montag ist der Vier-Sterne-General auch von der Nationalen Leitung der FSLN zurückgetreten, und alle Offiziere der Streitkräfte haben ihre Posten in der sandinistischen Partei abgegeben. Aber noch ist offen, ob für den politischen Rat der „Uno“ diese Lösung akzeptabel wäre. Sicher scheint, daß die Contras sich weigern würden, die Waffen niederzulegen, wenn General Ortega an der Spitze der Armee verbliebe. So wird als Kompromiß unter Umständen Violeta Chamorro selbst das Verteidigungsministerium übernehmen.

Unklar ist auch noch, welche Pfründe für den im Parlament gescheiterten Alfredo Cesar gefunden wird. So dauert der Postenschacher noch an. Daher kann es selbst am Tag der Amtsübernahme noch Überraschungen geben.

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