: Mitfahrgenehmigung
Die Bonner Koalition bietet den „Ausschuß zur deutschen Einheit“ an ■ K O M M E N T A R E
Bevor SPD-Chef Vogel die parlamentarische Beteiligung am deutschen Einigungsprozeß im Gespräch mit Kohl einklagen konnte, hatte die Regierungskoalition den „Ausschuß für die deutsche Einheit“ angeboten. Nachdem die SPD die 1:1 -Forderung als eine autochthone sozialdemokratische Position der sozialen Gerechtigkeit identifiziert hatte, war der Anspruch der parlamentarischen Beteiligung das zweite Element, mit dem die oppositionelle Deutschlandpolitik bestritten worden ist. Nach der neuesten Fassung des Staatsvertragsentwurfes und nach dem Ausschußangebot ist der SPD der Wind aus den Segeln genommen. Sie mag es zum Erfolg der Opposition stilisieren, wie es jetzt Lafontaine tat die Wahrheit ist es nicht. Es ist die Vollendung des Siegs der Exekutive.
Kohl hat erst die Weichen gestellt und danach die SPD zur Mitfahrt eingeladen. Parlamentarische Einbindung nennt man das. Seit der Verkündigung des Zehn-Punkte-Plans von Kohl schlingert die SPD zwischen zustimmender Entlarvung und protestierender Zustimmung. Die Entscheidung über den Staatsvertrag ist praktisch gefallen. Der Rest ist Verteilungskampf zwischen Bund und Ländern, Gezerre sozialstaatlicher Lobbies, der Wechselgesang des Wer-soll -das-bezahlen. Die Exekutive hat sich, den plebiszitären Druck aus dem Osten ausbeutend, eine demagogische Führungsrolle verschafft, die die Verfassungsorgane aushöhlt. Die Einrichtung des „Ausschusses für die deutsche Einheit“ honoriert mehr die Bedeutungslosigkeit des Parlamentes, als daß sie seiner Bedeutung Rechnung trägt. Der Koalitionsstreit um den Wahltermin, die Spekulation gar, ob nicht durch ein konstruktives Mißtrauensvotum die Legislaturperiode frühzeitig für gesamtdeutsche Wahlen beendet werden soll, zeigt, daß das Grundgesetz und die ganze Geschichte der Spruchpraxis des Verfassungsgerichtes nur noch Formalien sind.
Gewiß hat, wie es immer wieder deutlich wird, die SPD die richtige Einsicht, daß die Verlangsamung der deutschen Einigung allein der demokratischen Legitimierung und dem Sachverstand dienen würde. Aber sie hat weder den Mut noch die politischen Ideen dafür, daraus eine Politik zu machen. Seit Ende 1989 macht die SPD Wahlkampf im engen parteipolitischen Sinne. Alle ihre Wahlerfolgskalküle sind an der politischen Dynamik gescheitert. Nur eine Opposition für die Verfassung wäre in der Lage eine breite Koalition zu stiften - quer zum Parteiengefüge und die deutsch-deutschen Gegensätze überspringend. Aber die SPD arbeitet mit den Überzeugungen des Status quo ante. Nachtrabpolitik unter Protestvorbehalt ist die Konsequenz.
Klaus Hartung
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