: Rechtsansprüche, die Rechte beschneiden
■ Die wichtigsten Punkte des neuen Ausländerrechts im Überblick / Abschiebung wird erleichtert / Denunziation gefordert
Man kann es höhnisch nennen: Da dankt Johannes Gerster, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, „den Kirchen und zahlreichen Sozialverbänden, die uns in den vergangenen Wochen durch konstruktive Vorschläge nachhaltig unterstützt haben“. Die seit vielen Monaten von Kirchen und Sozialverbänden, Gewerkschaften und Oppositionsparteien geübte massive Kritik an dem Entwurf für ein neues Ausländergesetz haben die Koalitionsfraktionen allerdings fast vollständig ignoriert. Abgesehen von geringfügigen Änderungen ist das Paragraphenwerk in seiner umstrittenen Fassung von der Mehrheit aus CDU/CSU und FDP im Innenausschuß des Bundestages am Montag gebilligt worden. Morgen verabschiedet der Bundestag den Entwurf in zweiter und dritter Lesung. Am 11. Mai soll der Bundesrat zustimmen
-zwei Tage vor den Landtagswahlen in Niedersachsen, nach denen sich die Mehrheit zugunsten der SPD ändern könnte.
„Erstmalig werden nun Rechtsansprüche für hier lebende Ausländer gesetzlich festgeschrieben.“ Diese Tatsache halten Koaltionspolitiker den zahlreichen Kritikern des Entwurfes unabläsig entgegen. Was sie natürlich nicht erwähnen: Nur ganz wenige der geplanten Regelungen verbessern die Situation, in vielen Fällen verschlechtert sich die Lage gegenüber dem geltenden Ausländergesetz und der Rechtsprechung der Gerichte.
Einige der umstrittensten Punkte des Gesetzentwurfes im Überblick:
* Die aufenthaltsrechtlichen Regelungen sind sehr eng. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis etwa soll es erst nach fünf Jahren geben - und dies auch nur dann, wenn die Betroffenen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und „ausreichenden Wohnraum“ nachweisen können. Diese, massiv kritisierte, „Wohnraumklausel“ hat die Regierungskoalition jüngst leicht entschärft: Kinder bis zu zwei Jahren werden bei der Berechnung des Wohnraumes nicht mitgezählt. Selbst die unbefristete Aufenthaltserlaubnis kann allerdings wieder entzogen werden, wenn der/die AusländerIn arbeitslos wird, und auf Sozialhilfe angewiesen ist. Die wesentlich günstigere Aufenthaltsberechtigung soll es in der Regel erst nach acht, statt wie bisher nach fünf Jahren geben.
* Familiennachzug und eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatten werden an ähnliche, von vielen Betroffenen gar nicht erfüllbare, Bedingungen geknüpft, wie die Verfestigung des Aufenthaltes. Kinder dürfen nur noch bis zum 16. Lebensjahr nachziehen.
* Die Wiederkehroption für ausländische Jugendliche gilt nur für Jugendliche der zweiten und dritten Generation. Sie dürfen aus ihrer Heimat allerdings nur dann hierher zurückkommen, wenn sie ihren gesamten Lebensunterhalt selbst bestreiten können und mindestens sechs Jahre in der BRD zur Schule gegangen sind.
* Die Einbürgerung bleibt ein kompliziertes Verfahren. Die Doppelte Staatsbürgerschaft wird nur in wenigen Ausnahmefällen gewährt.
* Ausweisungen erleichtert das geplante Gesetz noch weiter. Wer etwa wegen Geschwindigkeitsübertretungen mehrfach mit einem Bußgeld belegt wird, wer drogensüchtig oder aidskrank ist, wer Sozialhilfe braucht oder ganz allgemein „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen... gefährdet“ darf ausgewiesen werden - auch wenn er schon seit vielen Jahren hier lebt.
* Das Rotationsprinzip soll den Innenminister ermächtigen, per Rechtsverordnung, mit Zustimmung des Bundestages festzulegen, welche hier benötigten ausländischen ArbeitnehmerInnen einreisen dürfen - freilich ohne daß sie einen Anspruch darauf erhalten hierzubleiben.
* Der Datenschutz wird fast vollständig aufgehoben. So dürfen etwa Ausländerbehörden alle möglichen Daten von Ausländern erheben - ohne bestimmten Anlaß. MitarbeiterInnen öffentlicher Stellen verpflichtet der Entwurf zur Denunziation: Sie werden gehalten, eventuelle Gesetzes- und Regelverstöße von ImmigrantInnen und Flüchtlingen der Ausländerbehörde zu melden.
Ferdos Forudastan
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