: Die harte Hand Asiens
Karate-Bundestrainer Ochi regiert mit diktatorischen Methoden: Wer anders denkt als der japanische Maestro, fliegt aus dem Kader / Erstes Opfer: Waldemar Rauch ■ Von Thomas Schreyer
Waldemar Rauch vom SV 1880 München ist aus der Karate -Nationalmannschaft geflogen. Der für den Deutschen Karate -Verband (DKV) international erfolgreiche Kämpfer ist mutmaßliches Opfer persönlicher Antipathien des mit diktatorischen Machtbefugnissen ausgestatteten japanischen Bundestrainers Hideo Ochi.
So zumindest sehen es Waldemar Rauch und seine Kampf -Kameraden. Im DKV wird freilich anders, weil formal argumentiert. Ein Arbeitsvertrag mit dem DSB sehe vor, daß nur Bundestrainer und Sportdirektoren über den Nationalkader entscheiden. Die Entscheidung im Fall Rauch sei von der Mehrheit im DKV-Präsidium akzeptiert worden, weshalb keinesfalls „von einer Diktatur, sondern viel eher von Demokratie gesprochen“ werden müsse, betont DKV-Präsident Karl-Peter Ludwig.
Merkwürdig ist der Stil des Bundestrainers allemal: Rauch wurde nicht direkt informiert, und als er telefonisch um Auskunft bat, ließ Ochi nach kurzer Erklärung keine weitere Fragen zu und legte den Hörer auf. Ausgerechnet Rauch, der von allen bundesdeutschen Karateka mit Abstand am fleißigsten trainiert, mußte sich „keine Lust mehr am Training“ vorwerfen lassen.
Auf diese kompromißlose Tour konnte Ochi auch beim Sportdirektor Peter Betz landen, der sich sehr um eine Konfliktbeilegung bemüht hatte. „Rauch oder ich“, drohte der Karate-Patriarch - und Betz spurte. „Durch Waldemar Rauch soll ein Spannungspotential innerhalb des Kaders entstanden sein, das die Vorbereitungen belastet habe“, erklärte Betz. Ihm aber sei die Ruhe im Verband wichtig. Der Konflikt schwele schon seit drei Jahren. Rauch untergrabe die Autorität des Bundestrainers. „Die Entscheidung wird von einigen Athleten mitgetragen“, will Peter Betz wissen, ohne allerdings Namen zu nennen.
Waldemar Rauch sieht in den windigen Argumenten nicht den eigentlichen Grund. „Der liegt vielmehr in meiner etwas anderen Auffassung von Karate.“ Ochi, der von manchen Anhängern wie ein übermenschliches Wesen verehrt wird, toleriere nicht, daß Rauch eigene Lehrgänge veranstaltet bzw. diese nach seinen eigenen Vorstellungen gestalte. Ochi lasse keinen Freiraum zu. Selbst Sportdirektor Betz muß eingestehen, daß „dies auch ein Punkt sein könne“.
Waldemar Rauch orientiert sich am Kampfstil britischer Weltklasseathleten und weniger an den veralteten Methoden von Karate-Lehrern aus der Generation vor dem heutigen Sport Karate. Betz zum Stildissidenten: „Stiländerungen sind nicht immer von Vorteil. Es können technische Konflikte entstehen, die Nachwuchskämpfer noch nicht lösen können.“
Auch die zur Zeit erfolgreichste Karatekämpferin in der Kata-Disziplin (Perfektionsturnier), Simone Schreiner, wird gerade diszipliniert. Sie hatte öffentlich bekannt, daß sie ihr Können dem Heimtrainer Weber und nicht etwa dem Bundestrainer zu verdanken habe. Dieser diagnostizierte daraufhin sofort mangelnde Integration ins Team, Arroganz und mangelnde Trainingslust. Doch Simone Schreiner, Dritte bei den Weltspielen in Karlsruhe, ist zu gut, um auf sie zu verzichten. Dennoch: „Der DKV hat mir die Pistole auf die Brust gesetzt und mich zum Start auch in der Frauschaftsdisziplin (einem Synchronwettbewerb mit drei Teilnehmerinnen) gezwungen, wenn ich zur EM Mitte Mai nach Wien mitfahren will.“ Fast hätte sie einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Aber halt nur fast.
So steht Waldemar Rauch ziemlich alleine da. Selbst der Landesvorsitzende Andreas Schölz, kann ihm, so gerne er auch möchte, nicht helfen. Schließlich könnte nur eine Mitgliederversammlung dem Ärger eine Wende geben, wofür sich aber keine Mehrheiten finden dürften.
So bleibt der Münchener, der für Karate schon drei Semester seines Physikstudiums abgeschrieben hat, das Opfer des konservativen Trainers. Ähnlich ergeht es auch englischen und schwedischen Weltklasseathleten, die andere Karate -Meinung vertreten. Rauchs Erkenntnis: „Seit 1986 sinkt das Niveau auf internationalen Wettkämpfen kontinuierlich.“
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