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Konfuzius und die Droge

Der DFB erschreckt die Kolumbianer, bloß: Wenn es gegen Alkohol/Gewalt geht, tun sich die Saubermänner schwer  ■  P R E S S - S C H L A G

Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat unversehens einen neuen Feind entdeckt: die Drogenmafia. Voller Staunen durften die im idyllischen Schloßhotel Monrepos bei Ludwigsburg versammelten Sportjournalisten, die eigentlich gekommen waren, den neuesten taktischen Finessen des Teamchefs vor dem Länderspiel gegen Uruguay auf die Schliche zu kommen, erleben, wie ein Hubschrauber mit Gedröhne dahergeflogen kam und alsbald seine unappetitliche Ladung ausspuckte: Einen Staatssekretär vom BMJFFG (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit), einen Innenminister vom Ministerium für Inneres (Schäuble) und einen Schwall mißtrauisch umheräugender Gestalten. Wenig später gesellte sich DFB-Präsident Neuberger hinzu - und fertig war das Gruselkabinett.

Gekommen waren die Herren, um die Unterstützung der bundesdeutschen Elitekicker für die neue Anti-Drogenkampagne der Bundesregierung zu feiern. „Keine Macht den Drogen“ wird künftig Freizeit- und Trainingskleidung der Spieler zieren, an den Werbebanden prangen und per Werbespot in die Wohnstuben flimmern. Die Schirmherrschaft der Aktion hat Reichskanzler Helmut Kohl (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Schiedsrichter), der sich laut Staatssekretär Pfeifer schon „mehrfach im Kampf gegen Drogen engagiert“ habe.

Nicht etwa, daß der gute Mann als Undercover-Agent an dunklen Straßenecken Passanten zum Drogenmißbrauch überredet oder gar als selbstloser Streetworker schwarze und bekiffte Schafe der Gesellschaft ihrem verderblichen Tun entfremdet hätte, nein, die Aussage dürfte sich möglicherweise eher darauf beziehen, daß sich der Kanzler, verläßlichen Augenzeugenberichten zufolge, schon des öfteren engagiert der Bekämpfung der Volksdroge Alkohol und ihrer Vertilgung von dieser unserer Welt gewidmet haben soll.

Bleibt die Frage, warum sich der DFB an dieser Aktion beteiligt, wo er doch nicht einmal Geld dafür bekommt, und es, wenn er sich schon um die Geschicke der Jugend bekümmert, eigentlich näher läge, sich der Gewalt oder dem Alkoholismus in den Stadien zuzuwenden. Die Antwort versuchten der Teamchef und der Präsident zu geben. Neuberger ließ zuerst einmal keinen Zweifel daran, was für ihn die wirksamste Art der Drogenbekämpfung darstellt: Drogenbarone sind zu behandeln wie Hooligans, also: „Die Polizei muß am Ball bleiben.“ Rehabilitation geriet ihm zur „Umerziehung“, und dann hob er ab in Erinnerungen an die eigene Jugend und an seine damaligen Idole, Fußballer natürlich. Junge Menschen bräuchten Idole, und zwar saubere.

Hatte nicht schon vorher der Staatsekretär vom BMJFFG vor „falschen Vorbildern“ gewarnt. Schluß also mit bedröhnten Mittelstürmern, verkoksten Liberos und speedigen Keepern, Illgner statt Zappa, Häßler statt Hendrix, Andy Möller statt Sid Vicious. Die Mannschaft unterstütze das Ganze von Herzen, verriet Teamchef Beckenbauer und fügte „als alter Konfuzianer“ hinzu: „Wenn das Land in Ordnung sein soll, muß die Familie in Ordnung sein.“ Ein Satz, den die Familien Escobar oder Gacha ohne weiteres unterschreiben könnten.

Unterschiede wurden selbstverständlich keine gemacht, der gemütliche feierabendliche Joint, der goldene Schuß, die Nase voll Kokain, alles in einen dicken Topf und kräftig umrühren. In letzer Zeit, sagte der Statatssekretär vom BMJFFG, spiele vor allem Kokain eine verhängnisvolle Rolle „bei vielen Partys der Schickeria“. Womit wir wieder bei den Fußballern wären.

Die seien alle clean, hieß es übereinstimmend, was von den Kolumbianern ja wohl niemand behaupten würde. Die sind neben den Vereinten Arabischen Emiraten und Jugoslawien WM -Gruppengegner der Deutschen und gelten gemeinhin als fußballerische Inkarnation der Drogenmafia. Schön dumm gucken werden die, wenn sie in Italien auf Schritt und Tritt über den Spruch „Keine Macht den Drogen“ stolpern.

Und schon sind wir dem DFB endgültig auf der Spur: billige Imagepflege auf der einen Seite, listige Einschüchterung des Kontrahenten auf der anderen. Schlitzohr Herberger läßt grüßen. Bereits jetzt kann man sich an fünf Fingern ausrechnen, welche Kampagnen uns vor der WM noch bevorstehen: „Nieder mit dem Slivovitz“, „Weltweite Bekämpfung des Scheichtums“ und, rein prophylaktisch, „Rastaman Vibration: Illegalize it!“

Matti

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