: DDR soll Währungshoheit sofort abgeben
■ Bundesbank trifft Vorbereitungen für Währungsunion / Am 1. Juli sollen 14 Milliarden Mark in die DDR transportiert werden / Obergrenze bei Sparguthaben ist umstritten / Tandler vermißt ein Wort des Dankes
Berlin (afp/dpa) - Eine Erhöhung des zum Kurs von 1:1 umgetauschten Grundbetrages bei Sparguthaben auf 5.000 Mark schlug der Ostberliner Finanzexperte Erwin Rohde im Vorfeld der Beratungen über einen Staatsvertrag vor. Angesichts der durchschnittlichen Sparguthaben von 10.000 Mark falle die angebotene Obergrenze von 4.000 Mark mäßig aus.
„Ein Wort des Dankes und der Anerkennung“ vermißt dagegen der bayerische Finanzminister Gerold Tandler. Er kritisierte scharf die Reaktion des DDR-Wirtschaftsministers Gerhard Pohl auf das Bonner Angebot. Der CSU-Vize möchte nicht, daß es „zu Irritationen und Unverständnis bei den zu großzügiger Hilfe bereiten Bundesbürgern“ komme. Diese Haltung menschlicher und nationaler Solidarität sollte von Ost -Berlin „nicht durch Bekundungen der Unzufriedenheit und durch immer weitgehendere Forderungen gefährdet werden“.
Ihre Finanzhoheit muß die DDR nach Ansicht des wirtschaftspolitischen Sprechers der CDU/CSU -Bundestagsfraktion, Matthias Wissmann, bereits vor Abschluß eines Staatsvertrages abtreten. „Ab sofort“ müsse sichergestellt werden, daß die Haushaltsdefizite in der DDR nicht mehr mit der Notenpresse finanziert werden.
Die Bundesbank wünscht sich, daß die Regierungen in Bonn und Ost-Berlin auch die rechtlichen Voraussetzungen zur Einrichtung von fünfzehn Zweigstellen in der DDR schaffen werden. Wenn es zum geplanten Umstellungstermin am 2. Juli bereits eigene Vertretungen der Bundesbank in der DDR gebe, könnten diese bei der Verteilung der Banknoten an die Ausgabestellen als Brückenköpfe fungieren, so Direktoriumsmitglied Günter Storch. Die Währungshüterin trifft inzwischen die technischen Vorbereitungen für den Transport der D-Mark-Scheine in die DDR. „Wir werden einige Milliarden mehr hinübergeben, um keine Engpässe entstehen zu lassen.“ Nach Angaben der Bundesbank haben Unternehmen und Private derzeit 13,5 Milliarden Ostmark in bar, so daß zum „Tag X“ am 2. Juli mehr als 14 Milliarden D-Mark mit Lastwagen in die DDR gebracht werden sollen. Unsicherheit herrsche darüber, welche Beträge die DDR-Bürger in bar halten oder ausgeben und wieviel Geld sie auf Sparkonten belassen wollen.
Gegen einen Kurs von 2:1 für Sparguthaben über 4.000 Mark wendete sich der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl. Die Regelung würde parastaatlichen Einrichtungen, Funktionären und Spekulanten die Gelegenheit zur Bereicherung geben. Arbeitnehmer, Angestellte, Rentner und die hochbesteuerten Selbständigen in der DDR hätten keine großen Sparbeträge ansammeln können.
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