: DDR-Landwirtschaft klagt über Konkurrenz
■ Agrarverbände legen Forderungspapier vor und drohen mit Kampfmaßnahmen / Grenzblockaden gestern eher schleppend
Berlin (taz) - Kampfmaßnahmen haben die landwirtschaftlichen Interessenverbände der DDR für den Fall angekündigt, daß ihre Forderung nach Importbeschränkungen für ausländische Produkte in den bevorstehenden Verhandlungen mit der neuen DDR-Regierung nicht erfüllt werden. Die Präsidenten des Bauern-, des LPG- und des Staatsgüterverbandes legten gestern in Ost-Berlin ein umfangreiches Forderungspapier vor. Tenor: Man wolle nicht tatenlos zusehen „wenn die Produktionsgenossenschaften ruiniert werden“.
Die Verbände beklagen neben der massiven Konkurrenz durch westliche Produkte seit der Öffnung auch die zunehmende Nichterfüllung vertraglicher Abnahmevereinbarungen durch den Handel. Im Zuge der Einführung der Marktwirtschaft fordern die Verbände eine Entschuldung der Betriebe und staatliche Marktregulierung in Form einer nicht weiter präzisierten „Chancensicherung für die Produktion, Verarbeitung und den Absatz der Produkte“.
Für die derzeitigen Absatzschwierigkeiten einheimischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse machen die Verbände nicht die Qualität ihrer Produkte, sondern in erster Linie eine „psychologische Fixierung“ der Bevölkerung auf Westprodukte verantwortlich. Daß sich etwa bei der seit langem angemahnten Qualitätssteigerung der Milchprodukte auch im Zuge der neuen Konkurrenz noch immer nichts tut, führte der Vorsitzende des Raiffeisenverbandes auf das „starre Bürokratensystem“ zurück, das noch immer „versucht sich am Leben zu erhalten“.
Schwierigkeiten bei der Eingliederung der DDR -Landwirtschaft in den EG-Markt sieht auch der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesernährungsminister Geldern. Er betrachtet allerdings, entgegen den DDR-Agrarverbänden, die Eigentumsverhältnisse als das zentrale Problem. Zwar müsse es auch für die DDR -Landwirtschaft Übergangsregelungen geben; doch nach einer festzusetzenden Zeitspanne müßten die wirtschaftlich ineffizienten Großbetriebe durch die wachsende Bedeutung privater Bewirtschaftung ihre dominante Rolle in der Agrarproduktion aufgeben.
Demgegenüber erklärte Dämmrich, derzeit setzten sich nur etwa drei Prozent der Genossenschaften für eine Privatisierung ihrer Betriebe ein. Dennoch - wohl in Erwartung zukünftiger Entwicklungen - kündigte er an, daß sich der Bauernverband in „landwirtschaftlicher Unternehmerverband“ umbenennen werde.
Nachdem die ersten Blockadeaktionen von DDR-Bauern gestern eher schleppend anliefen, kündigten die Verbände für das Wochenende weitere Aktionen an. Zu koordinierten Kampfmaßnahmen werde man aber erst nach dem etwaigen Scheitern der Verhandlungen in Ost-Berlin aufrufen.
eis
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