Schlappe für britische Abtreibungsgegner

 ■  Aus London Ralf Sotscheck

Abtreibungen sind in Großbritannien in Zukunft nur noch bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich. Das Londoner Unterhaus beschloß gestern in den frühen Morgenstunden nach siebenstündiger Debatte, die bestehende Frist um vier Wochen zu reduzieren. Das Ergebnis fiel bei freier Abstimmung mit 409 Stimmen bei 152 Gegenstimmen sehr deutlich aus. Damit folgten die Abgeordntetn einer Empfehlung unabhängeger Mediziner. Das „Royal Collge of Obstetrician and Gynaecologists“ hatte 1985 erklärt, daß ein Fötus dank medizinischer Fortschritte bereits mit 24 Wochen lebensfähig sei. Weniger als zwei Prozent der Abtreibungen finden nach der 20. Schwangerschaftswoche statt. ÄrztInnen sagen jedoch, daß diese Fälle besondere Berücksichtigung finden müssen, da es sich meist um Frauen „in besonders harten Lebensumständen“ oder späte Diagnosen einer Behinderung des Kindes handele.

Die Marathondebatte wurde am Dienstag sehr emotional geführt. Am Widdecombe von der „Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder (SPUC)“ beschuldigte Premierministerin Margaret Thatcher, die Abstimmung beeinflußt zu haben, da sie die 24-Wochen-Regelung öffentlich befürwortete. Jo Richardso, Frauenministerin im Labour-Schatten-Kabinett, warf der Regierung dagegen vor, die Debatte so chaotisch organisiert zu haben, daß niemand mehr durchgeblickt habe. die Unterhausdebatte war am Dienstag erst um 23 Uhr zu Ende. Danach mußten die Parlamentarier fast drei Stunden abstimmen.

Die 28-Wochen-Frist war 1967 eingeführt worden. Seitdem haben Abtreibungsgegner immer wieder versucht, das Gesetz zu kippen. Die Regierung legte diesmal 19 Alternativen vor, um das Thema für die absehbare Zukunft vom Tisch zu schaffen. So konnnten die Abgeordneten unter anderem zwischen der Beibehaltung der bestehenden Regelung und einer Reduzierung auf 18, 20, 22, 24 oder 26 Wochen wählen. Jo Richardson glaubt jedoch nicht, daß die Abtreibungsgegner nun Ruhe geben werden: „Das ist absoluter Quatsch“, sagte sie. „Wenn Abgeordnete das glauben, sind sie blöder, als ich dachte.“

Harriet Harman von der Labour Party begrüßte dagegen die neue Regelung. Sie sagte: „Wir haben jetzt ein besseres Abtreibungsgesetz. „SPUC bezeichnete das Abstimmungsergebnis als „entsetzlich und barbarisch.“ Die erzkonservative Organisation hatte gehofft, die Frist weiterdrücken zu können. SPUC war im Vorfeld der Debatte jedes Mittel recht. So erhielten sämtliche Abgeordnete am Wochenende per Post ein Plastikmodell eines 20 Wochen alten Föters! SPUC wird von zahlreichen Lokalgruppen, Parlamentpareiern und Industriellen unterstützt. Finanzprobleme kennt die Organisation nicht. SPUC behauptet, daß es keine Abtreibungen gäbe, wenn Frauen einen Glasbauch hätten.