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WENN DU DA BIST

■ DEFA-Spielfilme zur DDR-Frau im Arsenal

„DDR-weiblich?“ Zu dieser Fragestellung zeigt das Arsenal am kommenden Wochenende nicht nur eine Reihe von 13 DEFA -Spielfilmen, in deren Mittelpunkt Frauengeschichten stehen. Im Rahmen eines Symposiums soll sich zudem eine komplexe DDR -/BRD-Frauenerfahrung ereignen, die die „Differenzen in den Reaktionen“ untersuchen und „die Entwicklungsmöglichkeiten, die Grenzen und das Gelände des Miteinander“ abstecken will.

Berlin baut auf: Dieser Dokumentarfilm von 1946 (Drehbuch: Marion Keller, Regie: Kurt Maetzig), in der Vorschau vorangestellt, dient als eine Art Kontrastmittel, um die DDR-Filme aus den 70er und 60er Jahren daraufhin zu überprüfen, inwieweit das nach dem Krieg mit Anfangspathos propagierte sozialistische Aufbaumodell die Frau miteinbezogen hat. Nur wenn sie, die Ärmel hochgekrempelt, dem „jüdischen Zimmermann“ die Steine zulieferte und ihre Kinder gut von der Schulspeisung aufgebaut wußte, während ihr KZ-Bruder das Berlinschlachtfeld zum Gemüsegarten umpflügte, durfte sie eingehen in die Geschichtsschreibung der DDR. Nur als Trümmerfrau war sie sozialismuswürdig; stand sie als Prostituierte an der Straßenecke, wurde sie als „arbeitsscheues Element“ (ähnlich unnötig wie der Schmuck in den Vitrinen) von der Kamera geächtet.

Als dann alle Steine an ihren Platz zurückversetzt waren, durfte sie im Dienste des Aufbaus des Arbeiter- und Bauernstaates erneut die Ärmel aufkrempeln und ihren Arbeiter oder Bauern stehen. Die zuträglich zugetragenen Identifikationsangebote als Mutter, Ehefrau, Genossin, Kameradin usf. konnten überlebensgroß im Bild der sozialistischen Einheitsbrunhilde bewundert werden. Daß bei aller Überdeterminierung und -repräsentation die einzelne Frau ein gefährdeter und gefährdender Unsicherheitsfaktor blieb, zeigen die beiden Filme Fahrrad (Regie: Evelyn Schmidt, 1981/82) und Die Beunruhigung (Regie: Lothar Warneke, 1981). In einem Fall gibt frau ihren Arbeitsplatz in der Fabrik auf, im anderen verweigert sie sich als Psychologin der Alltagsroutine.

Im Eingangsbild des ersten Films steht eine junge Frau (Heidemarie Schneider) mit ihrem Kind (Anke Friedrich) auf dem Fahrrad, zwischen Autos eingezwängt, im Regen: der Wasserschwall, der von der Plane des anfahrenden Lastwagens auf sie herunterschwappt, macht sichtbar, was für die einzelne abfällt im System.

Was kommen muß, folgt, wie die Pfützen auf der Straße, unabwendbar unangenehm: als alleinstehende Mutter kann Susanne nach der Kündigung in der Stanzerei binnen kurzem das Essensgeld im Kindergarten nicht mehr bezahlen und bald auch nicht mehr die Medikamente für das kranke Kind. So tritt sie nach einer Nacht in einer verräucherten Jugendklub -Disko in die Illegalität: meldet ihr Fahrrad bei der Versicherung als gestohlen, obwohl sie es noch besitzt. Als sich nach dem Delikt scheinbar alles zum besten wendet, das Kind wieder in den Kindergarten gehen kann, taucht auch ein Liebhaber (Roman Kaminski) in Gestalt eines technischen Leiters eines Betriebs auf, der sie samt Kind sofort zu sich in die Wohnung nimmt und ihr einen erträglichen Ausbildungsplatz verschafft - bis die Unterschlagung sozialistischen Eigentums ruchbar wird, die Sache wegen vorsätzlichen Betrugs vor Gericht kommt - und der große Liebhaber um seine Stellung zu fürchten beginnt. Das Vergehen am Staatseigentum wird zu einem in der Privatzelle: die gerade noch weichgezeichnete Ewigkeitsliebe löst sich auf in Mißtrauen und Vorwürfe von Nichtsnutzertum Reaktionsweisen, die die gesellschaftliche Erwartung reproduzieren.

Die Hauptfigur des zweiten Film Die Beunruhigung scheint zunächst tatsächlich emanzipiert. Inge Herold (Christine Schorn) ist Mitte 30, geschieden und alleinerziehende Mutter eines pubertierenden Sohnes. Als Psychologin ist sie erfolgreich, in der Beziehung zu einem verheirateten Mann kann sie unabhängig bleiben. Eigentlich hat sie ihr Leben fest im Griff, bis ein Knoten in der linken Brust zum Nachdenken zwingt.

In einer Schwarzweiß-Rückblende wird die Zeit vor der Operation, die über die Art des Tumors Auskunft geben soll, vergegenwärtigt: Die Psychologin streunt durch die Stadt und sucht vertraute Personen auf, ohne aber ihre eigentliche Sorge zur Sprache zu bringen: in den Gesprächen wird vor allem ihre Einsamkeit, ihre Unsicherheit und die Angst, etwas verpaßt zu haben, spürbar.

Gegen Ende des Films ist die kurzfristige Beunruhigung jedoch aufgehoben. Obwohl es Krebs war, Inge eine tiefe Narbe an der Stelle ihrer linken Brust hat und die Angst vor Metastasen geblieben ist, sehen wir sie jetzt mutig über den Alexanderplatz der Nachuntersuchung entgegengehen. Denn: Ein neuer Lebensgenosse liegt im Ehebett. Der im 'Neuen Deutschland‘ geäußerten Feststellung, daß beide Filme auf jene realsozialistische Überfrau verzichten, kann man wohl zustimmen. Allerdings erscheint dieses weibliche Selbstbewußtsein, aus dem Westwinkel betrachtet, positiv männergestützt. Unter dem Motto: „Ist der Richtige erst einmal gefunden“ löst sich jegliche Beunruhigung auf. Daß neue Selbstverwirklichungsutopien wie die alternative Disko -Ecke häufig etwas Verstaubtes haben, läßt sich vielleicht am besten Susannes Liebesseufzer entnehmen: „Wenn du da bist, habe ich eine Ecke, in die ich mich immer verkriechen kann.“

Michaela Ott/Michaela Lechner

27.-29.4. im Arsenal, Welserstraße 25, 1-30, 24 68 48.

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