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Ost-West-Gemüse zwischen Plan und Markt

West-Supermärkte mit ihren Waren bereits dick in den DDR-Auslagen / Kursrisiko entscheidet sich am Tag der Währungsunion  ■  Von Katrin Schröder

Fast peinlich ist der älteren Dame die Erwähnung der Landeswährung in der Markthalle der Hauptstadt Berlin beim Anblick der Westfrüchte: „Verkaufen Sie auch gegen unser Geld?“ Überall in der Halle sowie im gesamten Stadtgebiet von Ost-Berlin gibt es ein reichliches Angebot an westlichem Obst und Gemüse. Apfelsinen aus Spanien, Kiwis aus Frankreich und Avocados aus Israel werden Standard. Zuerst versorgten Bolle und Coop die Bürger der DDR in ihren Westberliner Filialen über „Ost-Kassen“ mit Vitaminen, seit Februar liefern sie direkt in die DDR. Die Coop Handels AG, gemeinsames Konzerndach der Konsumgenossenschaften in der BRD, hat nach eigenen Angaben bereits „Vorvereinbarungen über eine zukünfige Zusammenarbeit“ mit den Konsumgenossenschaften in der DDR getroffen.

Nach Auskunft der Pressestelle des angeschlagenen Handelsriesen, der 1989 nur knapp einem Vergleichsverfahren entging, „kümmert sich“ die AG mit ihren Bolle-und Coop -Filialen um den Raum Berlin/Brandenburg. Die Genossen des Ablegers Dortmund/Kassel EG richten ihr Interesse auf Thüringen und Sachsen, während die Schleswig Holstein EG ihre Waren nach Mecklenburg, vor allem aber in die Städte Schwerin und Rostock trägt. Von einer Gebietsaufteilung könne nicht die Rede sein, so der Pressesprecher der Coop AG in Frankfurt am Main. Auch eine finanzielle Zusammenarbeit finde noch nicht statt. Geplant sei zunächst ein Joint -venture im Rahmen der Warenbeschaffung.“

Bisher beliefert Coop als Großhändler in Ost-Berlin vier Verkaufsstellen der Konsumgenossenschaft Berlin und drei Standorte der Genossenschaft Konsument-Karl-Marx-Stadt, die im Verband der Konsumgenossenschaften der DDR zusammengeschlossen sind. Diese Lieferungen außerhalb des staatlichen Außenhandelsmonopol der DDR ermöglicht ein Ministerratsbeschluß von Ende Februar. Seitdem kommen die Westfirmen „teilweise unangemeldet“ ins Büro des Kollegen Wächtler, Mitglied des Vorstandskollektivs der Berliner Konsumgenossen, um vorzuvereinbaren. Es wurden nur Lieferverträge mit verschiedenen Firmen geschlossen, für alles andere fehlt noch die gesetzliche Grundlage. Gegenüber der Coop „haben wir eine Absichtserklärung abgegeben, nach der Währungsunion weiter und in erweitertem Umfang zu kooperieren,“ so Wächtler, das Interesse richte sich allerdings auf die Warenbeziehungen. „Wir haben nicht die Absicht, Läden abzugeben.“ Die Genossenschaft mit 900 Verkaufseinrichtungen in Berlin, darunter 65 Märkte und Kaufhallen sowie elf Kaufhäuser hält einen Marktanteil von durchschnittlich 30 Prozent. Dem Zwang zur Konkurrenz im Handel will man sich stellen, „wenn am Tag der Währungsunion der Angreifer auf den Markt kommt“, allerdings sehe auch der Konsumgenosse, daß dies „die inländische Produktion kaputt macht“.

Den einzelnen Genossenschaften obliegt die Preisgestaltung, wobei der Wareneinkauf aus der BRD auf der Grundlage des offiziellen Kurses von 1:3 abgerechnet wird. Der Anteil des Umsatzes, der dem bundesrepublikanischen Betrieb zufällt, liegt auf einem Sperrkonto bei der Staatsbank fest und harrt dem Tage X.

Die Konsumgenossenschaft habe, so Wächtler, seit Februar allein Coop-Waren im Wert von sechs Millionen Mark umgesetzt. Laut 'Handelsblatt‘ sind seit Februar DDR -Guthaben von bundesdeutschen Firmen in einstelliger Milliardenhöhe aufgelaufen. Zu welchem Kurs diese Konten auf DM umgestellt werden ist noch unklar. Nach Auskunft aus dem Bundesfinanzministerium gebe es erst eine „Denkrichtung, deren Anhaltspunkt bei 1:3“ liegt. So hätten die Firmen in der DDR auch in etwa kalkuliert. Eine Zusicherung über den Umtauschkurs habe es für die in der DDR engagierten Geschäftsleute jedoch nicht gegeben, vielmehr habe man die Firmen darauf aufmerksam gemacht, „daß sie auf eigenes Risiko arbeiten“ und daß es einen Ausgleich bei Umtauschverlusten nicht geben werde, denn „die Unsicherheit war bekannt“. Ein Grund für die Westfirmen, bisher nur an einzelne Standorte zu liefern.

Ohne eine vertragliche Kooperation mit einem Westpartner, bleiben DDR-Gewerbetreibende in das staatliche Außenhandelsmonopol verstrickt und sind auf den Großhandel des „Handelsbereichs 2“ angewiesen. Zum selbständigen Einkauf beim BRD-Großhändler benötigen sie harte Devisen, legal tauschen können sie allerdings ganze 150 DM pro Jahr. Zwar können alle Gewerbetreibenden die „Genehmigung 158“ beantragen und ihre Waren gegen „Valuta-Mark“ abgeben, doch fehlt dafür die kaufkräftige Kundschaft. Der Vorteil einer Kooperation der Großen mit den Großen liegt auf der Hand, es kommt auf die Verfügung über DM an.

Ackerhalle schon

verscheuert?

Für die kleinen privaten Händler sieht es schlecht aus, dennoch bleiben sie unter den Preisen der genossenschaftlichen Verkaufsstellen. „Bei denen diktiert doch Coop die Preise“, will einer der Privaten wissen. Die Kiwi, die bei ihm für 1,49 Mark Ost vom Regal lacht, kostet bei den Genossen immerhin 1,69. „Das ist im Prinzip so'n bißchen Konkurrenz“, so der Händler, der offensichtlich verärgert ist über soviel Engagement aus dem Westen. Die Sorge richtet sich auf die Pachtverträge der Privaten. Immerhin wird in den Kreisen der Betroffenen, der Angestellten der Konsumentgenossenschaft und der Pächter, die an kleineren Ständen ihr Geschäft betreiben, über konkretere Pläne erzählt. Einige Verkaufsstellen gelten als „bereits verscheuert“, zum Beispiel die Ackerhalle, einzige alte erhaltene Markthalle in Ost-Berlin. Nach Auskunft der Besitzerin Konsument sei dagegen noch alles offen. Mitte März streikten die Angestellten, als sie von den Übernahmeplänen aus dem Westen erfuhren.

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