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Cohabitation in Nicaragua

■ In Managua zeichnet sich eine große Koalition gegen die Contra ab

Kaum hat Violeta Chamorro sich von ihrem Vorgänger die Präsidentenschärpe umhängen lassen, da sieht alles schon wieder ganz anders aus, als die Anführer der Parteienallianz „Uno“ es sich nach ihrem Wahlsieg vorgestellt hatten. Nicht die „Uno“ regiert, sondern ihr liberaler Flügel, in „Cohabitation“ mit den Sandinisten, ganz nach französischem Modell.

Die „Uno„-Allianz hat sich als so brüchig herausgestellt, wie es viele vermutet hatten. Zwei designierte Minister des Contra-freundlichen Flügels haben ihr Amt gar nicht erst angetreten. Die Präsidentin hat sich offenbar entschlossen, der Entwaffnung der Contra, deren abrüstungsunwillige Krieger in nagelneuen Uniformen, made in USA, herumlaufen, Priorität einzuräumen. Die aber kann sie nur in einem bislang stillschweigenden - Bündnis mit der sandinistischen Heeresführung über die Bühne bringen.

Egal, wer auf die Idee gekommen ist, Chamorro oder die Sandinisten: Daß der bisherige Verteidigungsminister Humberto Ortega jetzt, direkt der Präsidentin unterstellt, die Armee so lange weiterführen darf, bis die Contra die Waffen abgegeben hat, ist einfach ein glänzender Schachzug für beide Seiten.

Die Wahlverlierer sichern sich damit gegen das befürchtete Rollback der „Uno„-Hardliner, zum Beispiel die Zerstörung der Agrarreform, ab. Violeta Chamorro und ihr neuer Innenminister, der Ex-Sandinist Alfredo Cesar, ihrerseits werden so ihren rechtsradikalen Flügel los, vor dem sie schon bald ins Zittern gekommen wären, hätte sich die Contra durchgesetzt und wäre Teil der Streitkräfte geworden.

Nicht zufällig scheint sich damit eine alte Koalition wiederherzustellen: das Bündnis, das vor elf Jahren den Diktator Anastasio Somoza zu Fall brachte, dessen Getreue noch heute eine wichtige Rolle in der Contra spielen.

Einiges spricht dafür, daß die Cohabitation bessere Überlebenschancen hat als die erste revolutionäre Junta, in der 1979/80 auch Violeta Chamorro saß. Sie scheiterte damals an dem Gegensatz zwischen den etatistischen Revolutionären und den US-freundlichen Konservativen. Doch heute ist von den Utopien der FSLN wenig geblieben, während Chamorros Gefolgsleute offenkundig eingesehen haben, daß es nach dem langen Contrakrieg jetzt um den Wiederaufbau geht - und nicht darum, zehn Jahre Revolution ungeschehen zu machen. Eine gemeinsame Politik gegen die Contra - der wirtschaftliche Spielraum ist ohnehin unendlich gering wäre ein guter Anfang, auch für die Demokratisierung der bisherigen Staatspartei.

Michael Rediske

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