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Papa hat das so gesagt

■ In der Neuapostolischen Kirche am Osterdeich ist die Welt grausam heil

Dreimal wurden meine Hände geschüttelt, ehe ich überhaupt erst einmal hineinkam in die Neuapostolische Kirche am Osterdeich. Von den etwa vierzig Kirchgängern sang die Hälfte im Chor mit, dessen Choräle vor und nach dem Gottesdienst angestimmt wurden; zum Ausklang spielte dann auch noch ein Streichquinett. Alles war sehr familiär, und als neben den Geschwistern der Gemeinde auch die Gäste begrüßt wurden, hatte ich das Gefühl der einzige zu sein, der nicht zur Familie gehört.

Zwei ehrenamtliche Prediger leiteten die Feier, und als Herr Prokop mit dem Gebet begann, klang auch daß wie in der Familienstube. Allerdings eher wie ein Kind, das dem strengen Vater etwas erzählt, ihn um etwas bitet, und ihn anhimmelt. Hier wurde der Begriff von den Kindern Gottes scheinbar ganz wörtlich genommen: es wirkte merkwürdig und fast absurd, wie der gestandene Mann in einen kindlichen Tonfall verfiel.

Und auch die Predigt hatte diesen infantilen Beigeschmack. „Tu alles ohne Murren und Zweifel und du seiest ohne Tadel und lauter“ - dieser Bibelspruch wurde mit bodenständigen, sehr schlichten Ausführungen kommentiert: Man soll seine Arbeit tun, ohne zu klagen und aufzubegehren. Man soll auf die Autoritäten hören und von ihnen lernen. Besserwisser, die voreilig dazwischenreden, fallen zum Unguten auf. Vieles in der heutigen Zeit geziemt sich nicht, aber wer dem Vorstand folgt und apostolisch lebt, wird immer friedlich, nett und ausgeglichen sein. Das war eine Bilderbuchpredigt wie aus dem Struwwelpeter. Dabei immer volkstümlich, im bremischen Zungenschlag vorgetragen: „Moses führte sein Volk aus der Sklaverei, und da erlebten se n‘ büschen wat, und gleich fingen n‘ paar an zu murren.“

Der zweite Prediger, Herr Gottschalk, machte in dem selben Tonfall weiter: Zweifel waren für ihn ungute Gedanken, die vom Teufel eingegeben wurden. Immer wieder wurden der Stammapostel, der Bischof oder der Vorstand erwähnt: „Meine Schafe hören meine Stimme, sie sind ein Segen und Werkzeug.“

Mir wurde unwohl bei soviel Fundamentalismus und Ordnung, soviel Gehorsam und Unterwürfigkeit. Da klang dann auch der makellos singende Chor nur noch nach emsigen und strengen Proben. Und als ich nach dem Gottesdienst noch kurz mit den beiden Predigern reden wollte, verwiesen sie mich auf ihren Vorstand - ohne dessen Genehmigung wollten sie mir nichts zu ihrer Gemeinde sagen. Aber das sagte mir schon genug.

Wilfried Hippen

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