Verständigung durch Literatur

■ Friedenspreis für Karl Dedecius, den Vermittler polnischer Literatur

Der Übersetzer und Schriftsteller Karl Dedecius hat sich der polnischen Literatur verschrieben und mit dieser Literatur deutsch-polnische Verständigung betrieben. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels würdigt folgerichtig mit der Vergabe des diesjährigen Friedenspreises an den 69jährigen Leiter des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt auch „ein Lebenswerk, das dem Verstehen von Literatur und der Verständigung zwischen Völkern gewidmet ist“, wie es in der Begründung für die Zuerkennung der mit 25.000 Mark dotierten Auszeichnung heißt.

Dedecius, der als Sohn deutscher Eltern im polnischen Lodz geboren wurde und seit den 50er Jahren in Westdeutschland lebt, hat zahlreiche Bücher aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzt. Einen „Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen“ hat man ihn deshalb genannt. An den geistigen Grundlagen der deutsch-polnischen Verständigung zu arbeiten - so definiert Dedecius die Aufgabe „seines“ Instituts auf der Darmstädter Mathildenhöhe, das inzwischen zehnjähriges Bestehen feiern konnte.

Als Grundlage für diese Verständigung haben Mitarbeiter des Instituts unter Leitung von Dedecius in bisher 33 Bänden der Polnischen Bibliothek Gedichte, Romane und Erzählungen für deutsche Leser übersetzt, in zehn Bänden der Blauen Reihe über den Stand der kulturellen Zusammenarbeit informiert und zwei Dutzend Monographien und Anthologien zu Polen herausgegeben. Zur Kleinarbeit im Dienste der Völkerverständigung gehören auch zahlreiche Kontakte zu polnischen Universitäten, Instituten, Verlagen, Autoren und Übersetzern, aber auch Symposien und Bildungsreisen, dazu ein Schüler- und Studentenaustausch.

Während Deutsch nach dem Krieg in Polen eine „verpönte Sprache“ war, wird es inzwischen neben dem Englischen als die führende Fremdsprache angesehen, berichtete Dedecius einmal. Das Deutsche Polen-Institut habe dazu mit seiner Unterstützung der Germanistik im Nachbarland wesentlich beigetragen. Was in der Vergangenheit an deutsch-polnischem Kulturaustausch geleistet wurde, will das Polen-Institut von Mai bis Juli in einer großen Ausstellung in Warschau zeigen.

„Die ganze Misere unserer Geschichte beruhte immer darauf, daß wir den Osten zu wenig kannten“, hat Dedecius vor einigen Jahren gesagt. Jetzt sei das „Kennenlernen des Ostens auf natürlichem Wege“ viel einfacher geworden, meint er heute. Die Demokratisierung in Polen dürfe allerdings nicht herausgehoben werden aus der Gesamtsituation in Mittel - und Osteuropa mit ihren gewaltigen Veränderungen. Für diese Entwicklung hat Dedecius, der gern in Metaphern spricht, ein Bild parat: „Es brodelt und kocht, die Suppe ist noch nicht fertig, und wir werden alle sehen, wie sie schmecken wird, wenn sie einmal vom Herd genommen werden kann, und wie sie uns bekommt.

Klaus Blume (dpa)