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Wer fällt mit der Kopfsteuer?

Vor den britischen Lokalwahlen / Regierungschefin Margaret Thatcher unter Beschuß  ■  Von Ralf Sotscheck

Die britische Regierung versucht, vor den morgigen Lokalwahlen zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Ein Regierungssprecher bestätigte am Montag Gerüchte, wonach ein Kabinettsausschuß über Modifizierungen der umstrittenen Kopfsteuer berate. Umweltminister Chris Patten versicherte jedoch, daß dies keineswegs als Anzeichen für Panik bei den Torys gewertet werden dürfe. Viele Hinterbänkler vom rechten Parteiflügel sehen das allerdings anders. Ihnen graut vor dem morgigen Tag. Zum ersten Mal äußerten am Montag auch loyale Thatcheristen Zweifel daran, ob die Premierministerin aus einer Wahl um die Führung der Konservativen siegreich hervorgehen könne. Der Abgeordnete Tony Marlow aus Northampton sagte: „Unsere Loyalität gehört der Partei, nicht ihrer Führung. Wir müssen ausbaden, was sie angerichtet hat.“

Die Kopfsteuer, die am 1.April in England und Wales eingeführt wurde, hat zu einem erheblichen Popularitätsverlust der Thatcher-Regierung und zu den größten Demonstrationen seit 50 Jahren geführt. Die Kopfsteuer macht - im Gegensatz zum alten Abgabensystem keine Unterschiede mehr: Gutsherr und Butler müssen heute dasselbe bezahlen. Verschiedene Torys lancierten in den vergangenen Tagen Gerüchte über eine Änderung der Steuer, um ein Debakel bei den Lokalwahlen zu verhindern. Heillose Verwirrung war die Folge.

Oppositionsführer Neil Kinnock prophezeite am Montag, daß die Torys die Premierministerin vor den nächsten Parlamentswahlen in zwei Jahren fallen lassen werden. „Das geht mich zwar nichts an“, sagte Kinnock, „aber ich glaube, daß sie dem Druck der eigenen Parteimitglieder nicht standhalten wird.“

Bisher war Kinnock davon ausgegangen, daß Thatcher „mit einem Meißel von der Tür ihres Amtssitzes in der Downing Street losgemacht“ werden müsse. Bei den Lokalwahlen, wo es um 5.000 Bezirksratsposten geht, wäre Kinnock schon mit einem Zuwachs von 100 bis 200 Sitzen zufrieden. Die Torys hatten bei den letzten Lokalwahlen 1986 bereits 700 Sitze verloren.

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