piwik no script img

Uno-Regierung im Streit - FSLN als Sündenbock

Die Contras weigern sich, ihre Waffen abzugeben / Präsidentin Violeta Chamorro attackiert die Wirtschaftspolitik der Sandinisten  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Beim ersten öffentlichen Auftritt seit ihrer Amtsübernahme kündigte Nicaraguas Präsidentin Violeta Chamorro am Montag Verhandlungen mit den Contras an, die auch nach dem Regierungswechsel nicht mit ihrer Entmobilisierung begonnen haben. Fast eine Woche nach dem vereinbarten Termin hat noch immer keiner der 10.000 Kämpfer die Waffen abgegeben. Nach Angaben der Vereinten Nationen befinden sich die meisten Contras mittlerweile in einer der fünf für sie in Nicaragua eingerichteten Sicherheitszonen. Bis zum 10.Juni sollte die Entwaffnung eigentlich beendet sein.

Dona Violeta will die Contra-Chefs noch in dieser Woche in Managua empfangen. Sie bestätigte, daß General Humberto Ortega Armeechef bleiben soll, „bis ich entscheide, daß ich seine Dienste nicht mehr brauche“. Israel Galeano, alias Comandante „Franklin“ erklärte die Benennung des ehemaligen FSLN-Comandantes aber zum Vertragsbruch und weigerte sich, die Waffen abzugeben. Frau Chamorro bestätigte zudem die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes, der mit oft umstrittenen Methoden das Entstehen einer inneren Front der Contras zu verhindern wußte.

Unterdessen kriselt es im Uno-Bündnis. Vizepräsident Virgilio Godoy greift Frau Chamorro inzwischen nur wenig verhüllt an. In einem Jahr werde er Präsident sein. Die Staatschefin beteuerte dagegen, sie vertraue in „seine Loyalität, mit der er die großen Entscheidungen“ unterstützen werde. Kurz zuvor hatte Jaime Bonilla, ein Parteifreund Godoys, den Ausschluß von mindestens drei Parteien aus der Uno-Allianz angekündigt und damit den Bruch offiziell gemacht. Damit würde das Regierungsbündnis in der Nationalversammlung seine Mehrheit einbüßen.

Die harten Wirtschaftsmaßnahmen, die die Präsidentin ankündigte, konkretisierte Zentralbankchef Francisco Mayorga. Nachdem er schon letzte Woche den Dollar -Parallelkurs in einer hundertprozentigen Abwertung an den Schwarzmarkt angeglichen und damit neue Preiserhöhungen ausgelöst hatte, stehen neue Preislawinen ins Haus. „Wir befinden uns in einem Hinterhalt, den die Sandinisten vorsorglich gelegt haben“, klagte Mayorga, der die abgetretene Regierung für die Wirtschaftsmaßnahmen der kommenden Wochen verantwortlich machte. Die Sandinisten hätten seit Beginn des Jahres die umlaufende Geldmenge verdoppelt und verantwortungslos Löhne angehoben und Tarife subventioniert. Daher drohe eine Hyperinflation, die nur mit der von 1988 vergleichbar wäre. Damals übertraf die Inflationsrate 30.000 Prozent. Mayorga, der sich vorgenommen hat, in 100 Tagen die Inflation zu bremsen, fand bei seinem Amtsantritt nicht mehr als drei Millionen Dollar in flüssigen Devisen vor. Das entspricht genau der Summe, die 1979 die Diktatur Somozas hinterlassen hatte.

Die Sandinisten waren in den letzten Jahren durch die Boykottpolitik der USA nicht nur von den traditionellen Märkten, sondern auch systematisch vom Zugang zu Krediten internationaler Finanzinstitute abgeschnitten worden. Sie hinterlassen jetzt eine Auslandsverschuldung von zehn Milliarden Dollar. Allein die USA werden jetzt 300 Millionen Dollar geben. Weitere 300 Millionen hofft Mayorga im Juni auf einer Konferenz in Rom, die noch von den Sandinisten einberufen worden war, einzusammeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen