: Dienstplichtgesetz sorgt für Ordnung
■ Von der Demokratie-Kür zur Wehrpflicht / Neues Dienstpflichtgesetz ermöglicht wieder Strafen
Berlin (taz) - Ausgangspunkt für ein in Strausberg geschnürtes Paket, das Entwürfe für zwei Gesetze und eine Verordnung enthält, ist ein sogenanntes Dienstpflichtgesetz. Zuerst wird Rückhalt in den eigenen Reihen gesucht und dieses Projekt nur in Militärzeitungen veröffentlicht, um später in die Offensive gehen zu können.
Nach den Vorstellungen seiner geistigen Väter sollen alle männlichen Bürger Kraft des Gesetzes zu einer Dienstpflicht gezwungen werden, die a) als Wehrdienst oder b) als Zivildienst „geleistet werden darf“.
Ein detailliertes Gesetzeswerk mit den üblichen militärisch -juristischen Verklausulierungen folgt, was bereits schon in ähnlicher Form aus dem 82er Wehrdienstgesetz bekannt ist. Neu hier ist unter anderem: politische oder religiöse Betätigungen während eines Wehrdienstverhältnisses werden in dieses Gesetzwerk aufgenommen und ermöglicht. Alt sind die Ordnungs- und Strafbestimmungen. Hier offenbart sich die reaktionäre Denkart der Urheber. Nach der in den letzten Jahren geübten Praxis des „Vergessens“ von Wehrdienstverweigerern unter SED-Herrschaft, nach Monaten der Unsicherheit und der „Kulanz“ im Umgang mit Totalverweigerern nach dem Oktober 1989 und nach einer Zivildienstordnung, die in europäischen Wehrpflichtländern ihresgleichen sucht, soll nun zurückgeschlagen werden. Ordnungsstrafen, Zuführungen und Haftstrafen werden wieder mal angekündigt. Dies beispielsweise mit althergebrachten Gummiparagraphen wie den Paragraphen 9: „Wer (...) b) andere Handlungen begeht, um seine Einbeziehung oder Heranziehung zu verhindern, wird mit Geldstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder auf Freihatsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.“
Es stören die großen Widersprüche dieser Machwerke mehr als Details: Diese Gesetze werden auf Grundlage der Verfassung der DDR ausgearbeitet, einer Verfassung, die offensichtlich nicht mehr vom Volk getragen wird. Eine neue Verfassung ist unumgänglich.
Rene Klein
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