Neues Forum: „Wir lassen uns überprüfen“

■ Republikssprecherrat des Neuen Forums fordert die Überprüfung ihrer Stasi-Akten / Generalstaatsanwalt soll vermittelnd eingreifen

Berlin (taz) - „Wir lassen uns überprüfen“ - zwar nicht am offiziellen Beamtentag; die öffentlichen Sprechzeiten fallen in den meisten Fällen auf Dienstag - der aber war Feiertag. Daher verlegte der Republiksprecherrat des Neuen Forums den Beamtentag kurzerhand auf den Mittwoch, um einen unangemeldeten Gang nach Canossa zu veranstalten. Vielleicht schaffen es die Vetreter vom Neuen Forum, noch vor den Wahlen diesen Weg beschritten zu haben, um mit reinem Gewissen, überprüft und wanzenfrei sich der Wählergunst zu stellen.

Der kleine Troß, allen voran ein jungfernweißes Spruchband mit besagter Losung, zog die Herrmann-Matern-Straße entlang zum monströsen Gebäude des Generalstaatsanwaltes. Zwölf waren gekommen, um für das 15köpfige Gremium des Neuen Forums Einsicht in ihre Stasi-Akten zu fordern. Das höchste Amt der Jurisprudenz dieses Landes wandelt sich zum Hoffnungsträger für das Neue Forum: Der Generalstaatsanwalt soll sein Machtwort sprechen. Es reicht, ein für alle Male soll Klarheit über die Nicht-Verflechtung der NF-Kandidaten in Stasi-Angelegenheiten herrschen. Ein öffentlicher Frühjahrsputz, die Medien nahmen's zur Notiz, das Wetter zeigte sich günstig und die Volkspolizei sah's mit Gelassenheit, auch wenn sie vor den dicken Portalen der Presse den Zutritt in die heiligen Hallen verwehrte.

Vor gut vier Wochen hatte der Sprecherrat, dem Vertreter aller Bezirke angehören, sich bereit gefunden, die Unterlagen im Beisein von neutralen Personen einzusehen und allen Verdacht über eine Stasi-Mitgliedschaft, Inoffizielle Mitarbeiter oder HIV aus der Welt zu räumen. Für andere Parteien und Organisationen wollte das NF ein Zeichen setzen. Das Neue Forum will nach Angaben von Reinhold Mau, daß alle politischen Verantwortlichen des Landes diesen freiwilligen Schritt einer Überprüfung nachvollziehen, um künftigen Diffamierungen und Erpressungen keinen Raum zu geben. In dem Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt sei jedoch deutlich geworden, daß es bisher für eine solche Überprüfung keine gesetzlichen Grundlagen gibt.

Wie der Vertreter des Neuen Forums für den Bezirk Gera, Dr. Gantenbein, erklärte, kommt es in den Kreisen gegenwärtig zu Anfeindungen der NF-Mitglieder. Vor Anrufen und Drohungen werde nicht zurückgeschreckt. Dieser Zustand ist unhaltbar, besonders aber wenn unschuldige Menschen verdächtigt und beschuldigt werden. Das Neue Forum sieht nicht ein, warum Menschen, die sich jahrelang damit befaßt haben, die Anhänger und Sympathisanten der Bürgerbewegung zu überprüfen und zu bespitzeln, nunmehr straffrei ausgehen. In der Stadt Gera hat das Neue Forum für alle Kandidaten der Kommunalwahlen eine Petition zur Überprüfung dieser Personen eingereicht. Bisher ist nichts geschehen. Man will erreichen, daß die gewählten Kandidaten noch überprüft werden. Für alle ist dies im Moment noch nicht möglich, räumte Gantenbein ein, der selbst für das Neue Forum kandidiert. Dr. Gantenbein ist seit dem 5. Oktober vergangenen Jahres im Neuen Forum.

abc