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„Die Schule muß die Schule verlassen“

■ Horst-Werner Franke zur Pädagogik gegen Rechts

Auf dem Forum der SPD-Fraktion „Pädagogik gegen Rechts?“ (s.o.) meldete sich auch der zurückgetretene Bildungssenator Horst-Werner Franke zu Wort und hielt ein Plädoyer zur Auflösung dessen, was er jahrelang verwalten mußte: der Schule:

Wir sind im Augenblick in einer ziemlich hoffnungslosen Position. Die präsentierten Projekte sind alle nicht aus der Dynamik eines Kollegiums, aus dem Gesamtengagement einer Schule heraus gewachsen. Das sind alles Initiativen von Einzelnen, und die sind natürlich hoffnungslos überfordert, wenn zu ihrer sozialpädagogischen Position jetzt auch noch der Anspruch gestellt wird, Aufbau von Verhaltens- und Lebensweisen zu leisten, die in eine multikulturelle Gesellschaft hinüberführen.

Das eigentlich bedrohliche Phänomen ist, daß wir überall eine große Entpolitisierung in den Köpfen haben. Ich habe überhaupt keine Sorge, daß ein erschütterndes Wählerpotential von Neonazis in diesem Land her

anwächst. Vielmehr wächst der entpolitisierte Mensch heran. Nicht die Neonazis von heute sind unsere Gefahr, sondern die Neonazis von morgen in Verbindung mit einer widerstandslosen, entpolitisierten Gesellschaft.

Wenn wir der Entpolitisierung in unseren Klassen entgegenarbeiten wollten, müßten wir in der Schule politisches Verhalten und politische Aktionen bewußt herbeiführen, müßten Schule politisieren. Wie ist aber in einer Institution wie der Schule, die letztlich obrigkeitsstaatlich organisiert ist, das Lernen politischen Verhaltens möglich - eine uralte Frage, bis heute unbeantwortet.

Wir haben das Elend der politischen Bildung an unseren Schulen zum Greifen nahe. Eine Veränderung ist durch Behördenhandeln unter keinen Umständen herbeizuführen. Schule muß viel stärker ihre Abgrenzung als pädagogische Institution aufgeben und muß viel stärker in den Stadtteil integriert sein, in dem sie angesiedelt ist. Die Schule muß die Schule verlassen.

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