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„Brutale Polizeieinsätze in der Nacht“

■ Das fast einhellige Lob für die Polizei am 1.Mai steht im krassen Gegensatz zu den Berichten des Ermittlungsausschusses und von Betroffenen

Bei den Vorkontrollen vor der Kreuzberger „revolutionären 1. Mai Demonstration“ und bei den nächtlichen Auseinandersetzungen sind am Dienstag rund 140 Personen festgenommen worden. Ein Polizeisprecher erklärte dazu gestern, daß rund 40 Personen, die bei den Vorkontrollen nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) festgenommen worden waren, bis gestern früh entlassen worden sind. 69 von rund 100 Personen, die Laufe der Nacht wegen des Verdachts eine Straftat begangen zu haben, in Polizeigewahrsam genommen worden, befanden sich gestern wieder auf freiem Fuß. Der Rest sollte im Verlaufe des gestrigen Nachmittags dem Haftrichter vorgeführt werden. Das Ergebnis soll heute von der Justizpressestelle bekannt gegeben werden.

Der Kreuzberger Ermittlungsausschuß erklärte dazu, daß die Polizei am Dienstag ab 21 Uhr „wahllos“ Festnahmen getätigt habe. AugenzeugInnen hätten von einem „unglaublich brutalem Vorgehen“ der Polizei gegenüber den Festgenommenen berichtet. Die meisten seien zusammengeprügelt worden, obwohl sie keinen Widerstand geleistet hätten. Die Festgenommenen seien zum Teil „blutüberströmt“ gewesen, manche von ihnen hätten „schwere Kopfverletzungen“ davongetragen. Weiter sei beobachtet worden, daß einige der Festgenommenen trotz ihrer Verletzungen von der Polizei längere Zeit liegen gelassen worden seien, bevor sie abtransportiert wurden. Der Ermittlungsauschuß berichtete auch von Zeugenaussagen, nach denen Polizeibeamten gegenüber PassantInnen erklärt haben sollen, daß sie mit einer Festnahme nach dem ASOG rechnen müßten, wenn sie sich Kreuzberger Kiez aufhielten - auch wenn sie dort nur Essen gehen wollten. Andere AugenzeugInnen hätten beobachtet, daß mindestens zwei Personen von Zivilbeamten - die ihre Gesichter mit „Haßkappen“ verdeckt gehabt hätten festgenommen worden seien. Insgesamt schätze der Ermittlungsausschuß den Ablauf des 1. Mai in Kreuzberg so ein, daß die Polizei sich „absolut unverhältnismäßig“ verhalten habe und „überwiegenden Anteil an den nächtlichen Auseinandersetzungen“ habe.

Betroffen von einem Polizeieinsatz war auch der Sprecher des Landeselternausschusses Frank Keidel, der eigenen Angaben zufolge gegen Mitternacht an der Ecke Naunynstraße/Mariannenplatz von einem Polizeibeamten auf den Boden geworfen und von dessen Kollegen zusammengeschlagen wurde. Keidel berichtete, daß er einen doppelten Nasenbeinbruch und eine Schädelprellung davongetragen habe. Er sei nur auf die Straße gegangen, um sich Zigaretten zu holen. Auf der Straße sei zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts losgewesen. Der Vorfall sei Ausdruck davon, daß Kreuzberg nicht nur zur „Spielwiese“ für randalierende Gruppen, sondern auch für einige Polizeibeamte geworden sei.

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