: Kunstfreiheit auch für Hitler-Satire
■ Bundesverfassungsgerichtsurteil zur satirischen Verwendung nationalsozialistischer Symbole
Karlsruhe (dpa) - Kunstfreiheit gilt auch für satirische Darstellungen von Nazi-Symbolen. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfen satirische Darstellungen nicht deshalb vom Schutz der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) ausgenommen werden, weil sie Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zum Gegenstand haben.
Damit gab der Erste Senat des höchsten bundesdeutschen Gerichts den Verfassungsbeschwerden eines Paares aus Bayern gegen seine Verurteilung wegen unerlaubter Verwendung von Kennzeichen der NSDAP statt. Die Karlsruher Richter hoben vorinstanzliche Entscheidungen des Landgerichts Augsburg und des Bayerischen Obersten Landesgerichts München auf und wiesen die Sache an das Landgericht zurück. (Az: 1 BvR 680/86 und 681/86 - Beschluß vom 3. April 1990)
Beide Beschwerdeführer bedrucken in ihrem Kleinbetrieb T -Shirts. Im vorliegenden Rechtsstreit ging es um den 1984 erfolgten Verkauf von 156 Hemden, auf denen Adolf Hitler jeweils in Uniform dargestellt ist. Im einen Fall wird Hitler mit Hakenkreuzbinde (anstelle des Hakenkreuzes wurden lediglich zwei gekreuzte Balken verwendet) vor den Umrissen Europas gezeigt. Dabei weisen rote Pfeile auf die Feldzüge im Zweiten Weltkrieg hin. Der Aufdruck ist unter anderem von den Worten „European Tour“ und „C Third Reich Promotions 1939+“ umrahmt. Das Amtsgericht Augsburg hatte die beiden wegen gemeinschaftlichen fortgesetzten Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen für schuldig gesprochen und jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihre Berufung und die anschließende Revision blieben erfolglos.
Laut Verfassungsgericht hat das Landgericht den künstlerischen Gehalt der Abbildungen verkannt und ihren satirischen Charakter mit Argumenten verneint, die mit dem genannten Grundrecht unvereinbar sind.
Auch werde die Annahme, daß der „kundige Betrachter“ in der Abbildung keine Verhöhnung oder Verspottung Hitlers sehen könne und der „vernünftige Durchschnittsbürger“ im ersten Fall lediglich eine chronologische Aufzählung der Feldzüge und deren Erfolglosigkeit sowie das Ende Hitlers erkennen könne, dem Inhalt der Darstellung nicht gerecht.
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