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Liberias internationale Beziehungen

■ Kleine Geschichte der „ersten freien Republik Afrikas“ / Liberia wird spöttisch „Firestone Country“ genannt / Im heimlichen 51. Bundesstaat der USA ist auch die BRD engagiert

Der kleine Staat im westafrikanischen Regenwaldgürtel gilt als erste freie Republik Afrikas. Ab 1821 verschifft die „American Colonization Society“ Tausende „befreiter“ Sklaven aus den USA an die afrikanische Pfefferküste, um sie dort als Statthalter ihrer wirtschaftlichen und missionarischen Interessen anzusiedeln.

Nachdem sich England und Frankreich lange um die Oberherrschaft über das afrikanische Land gerauft hatten, kam im Jahre 1847 für Liberia die Unabhängigkeit. Doch England und das Deutsche Reich brachten die Finanzen und den Außenhandel Liberias weitgehend unter ihre Kontrolle. Die Konkurrenz zwischen den Großmächten verhinderte indes die politische Annexion des fragilen Staatsgebildes.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg kamen die USA wieder stärker ins Geschäft, als das US-Unternehmen „Firestone“ die weltgrößte Kautschukplantage mit Zehntausenden zwangsrekrutierter Arbeiter anlegte und der US-Dollar das britische Pfund als Landeswährung verdrängte.

In den 50er und 60er Jahren sorgte in Liberias Wirtschaft neben dem Kautschukboom und der Billigflagge für liberianisierte Hochseefrachter auch das Eisenerz für die zweithöchsten Wachstumsraten der Welt. Die Konzessionen für die Erzausbeutung wurden an US-amerikanische und deutsche Firmen vergeben, und die ameriko-liberianische Oberschicht profitierte vom Boom.

Dieser oberflächliche Aufschwung beeindruckte auch die beiden westafrikanischen Freiheitskämpfer Kwame Nkrumah und Sekou Toure, als sie im Jahre 1961 in Sanniquellie, Nimba County, mit Liberias Präsident Tubman die Organisation der Afrikanischen Einheit gründeten.

Tubmans „Politik der offenen Tür“ lockte nicht nur US -amerikanische Investoren ins Land, sondern auch die „Voice of America“, die strategisch wichtige US-Radarstation „Omega“, alljährlich 200 Peace-Corps-Freiwillige und militärisches Personal für Flughafenkontrolle und Offiziersausbildung. „Firestone-Country“ wird Liberia deshalb spöttisch genannt.

Als nach einigen Unruhen im Jahre 1980 der letzte ameriko -liberianische Präsident William R. Tolbert überraschend von „Hinterland„-Offizieren weggeputscht und ermordet wurde, unterstützten die USA den machthungrigen Master-Sergeant Samuel K.Doe.

Der trieb umgehend alle nationalistisch und panafrikanisch eingestellten Regierungsmitglieder ins Exil. Die Vereinigten Staaten verfünffachten die Militär- und Entwicklungshilfe an Liberia in acht Jahren auf 500 Millionen Dollar. Wie der US -Rechnungshof monierte, wanderten 50 Millionen direkt in die Tasche des Präsidenten Doe.

Die Plünderung des Staatshaushaltes beschleunigte den wirtschaftlichen Niedergang Liberias. Während die Weltmarktpreise für Kaffee, Kakao und Kautschuk fielen und das Thyssen-Krupp-Mannesmann-Konsortium der „Bong Mine“ bereits EG-Zuschüsse für die weitere Eisenerzförderung bezog, brachte der exzessive Export von Tropenholz durch ausländische Konzessionäre noch die höchsten Einnahmen für Beamte und Regierung.

Gegen Bares und Doktortitel verkaufte Dr. Doe auch diplomatische Beziehungen. Südkoreas und Rumäniens Diktatoren besuchten ihn so gern wie Israels Schamir, den sonst niemand in Afrika empfängt. Als Dank hinterließ er eine Spezialeinsatztruppe.

Zum 40. Jahrestag der Volksrepublik China eröffnete Liberia eine Botschaft in Taiwan. Diese zuvor nur noch von Grenada praktizierte Brüskierung der Rotchinesen, die gerade erst ein Fußballstadion und das Gesundheitsministerium in Liberia erbaut hatten, honorierten die Taiwaner mit „Entwicklungshilfe“ in Millionenhöhe.

Andere Geldgeber wurden rar: Weltbank und Internationaler Währungsfonds plazierten Liberia auf ihrer schwarzen Liste. Die BRD, zweitwichtigster Entwicklungsfinanzier des Landes, reduzierte ihr Engagement bereits vor den aktuellen Unruhen. Das „Nimba County Rural Development Project“, eines der größten Landentwicklungsprojekte der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), steht nun ebenfalls vor der Einstellung, nachdem mehrere liberianische Projektmitarbeiter Raubmorden von Soldaten zum Opfer gefallen und die deutschen Experten auf dem Luftweg evakuiert worden waren.

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