: Proteste in der DDR
In der DDR haben die Regelungen für eine Währungsunion gegensätzliche Reaktionen ausgelöst. Der DSU -Fraktionsvorsitzende in der Volkskammer, Walther, erklärte erfreut, die Umtauschmodalitäten gingen weit über das hinaus, „was eigentlich von unserer Wirtschafts- und Finanzkraft her möglich ist“. Die liberaldemokratische Zeitung 'Der Morgen‘ beschimpfte diejenigen, die an dem Umtauschkurs Kritik übten, als ebenso vergeßlich wie undankbar, sollte die Regelung doch eher zu „Freudenausbrüchen“ führen. Weniger euphorisch äußerte sich die Volkskammerfraktion der Liberalen. Sie nannte den Vorschlag „unbefriedigend“ und forderte höhere Sockelbeträge.
Die Reaktionen der SPD waren geteilt. Während der Fraktionsvorsitzende Schröder meinte, das Ergebnis entspreche den „Forderungen der Koalition“, erklärte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Karl-August Kamili gegenüber 'adn‘, das Währungsabkommen widerspreche in weiten Teilen sozialdemokratischen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. So fehle ein Ausgleich für höhere Sozialabgaben und Subventionsabbau. Kamili sprach sich dafür aus, differenzierte Umtauschkurse je nach Höhe der Sparguthaben vorzunehmen.
Der Unabhängige Frauenverband (UFV) protestierte „aufs Schärfste“. Die Regelungen gingen primär von „vermeintlichen Erfordernissen“ der D-Mark-Stabilität aus und nicht davon, daß es nötig sei, die soziale Lage der DDR-BürgerInnen stabil zu halten. Der vereinbarte Umtauschkurs werde eine „sofortige absolute Kaufkraftsenkung“ zur Folge haben. Die Kosten der Einheit würden damit auf die sozial schwächsten DDR-BürgerInnen abgewälzt.
Statt dessen forderte der Frauenverband unter anderem eine Ausgleichszahlung für Subventionsabbau und Preiserhöhungen und eine Anpassung des staatlichen Kindergeldes an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Und schließlich müßten die in der DDR lebenden und arbeitenden AusländerInnen ebenso behandelt werden wie BürgerInnen der DDR. Die Volkskammerfraktion von Bündnis 90/Grünen kritisierte an den Umtauschmodalitäten, daß dort von einer Sozialunion nicht die Rede ist. „Soziale Härtefälle“ würden auf die DDR und deren „finanzielle Eigenverantwortung“ abgewälzt. Da ein Subventionsausgleich bei der Umstellung der Löhne und Renten fehlt, würden gerade die sozial Schwächeren benachteiligt, die einen besonders hohen Anteil ihres Haushaltseinkommens für subventionierte Güter ausgeben. Offen sei weiterhin die Frage, ob die DDR-BürgerInnen an der Verteilung des von ihnen erarbeiteten „Volkseigentums“ beteiligt würden.
Eine Ungerechtigkeit im ersten Teil des Staatsvertrages ist keiner Partei aufgefallen: Bei dem Umtausch der Sparguthaben würden nach der gegenwärtigen Version die 14jährigen leer ausgehen, denn sie haben das „14. Lebensjahr“ bereits überschritten, gehören aber auch nicht zu den „Personen im Alter von 15 bis zum vollendeten 59.Lebensjahr“.
Walter Süß
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