: Post verbindet - wie lange noch?
■ Unmut über neue Pausenregelung / Warnstreiks in Berlin und im Bundesgebiet / Post ab Mittwoch lahmgelegt? Von 10 Minuten pro Stunde wurde die Pause auf 6 Minuten gekürzt, die Post will noch weniger Erholungszeiten
Westberlin. Die Briefträger hatten gestern morgen weniger zu tragen: Beim zentralen Briefverteilamt am Anhalter Bahnhof wurden etwa 600.000 Briefe zu spät verteilt - eine von mehreren Auswirkungen des Warnstreiks bei der Post. Zusätzlich wurden gestern in nahezu allen Bezirken West -Berlins keine Telefone repariert oder angeschlossen. Punkt 19 Uhr am Donnerstag abend unterbrachen die Verteiler vor den Postsäcken ihre Arbeit, der Nachtflieger nach Frankfurt ging nahezu leer auf die Reise.
Die Warnstreiks sind Teil der Auseinandersetzung im Tarifkonflikt der Post, es geht um die Aufnahme von Pausenzeiten in den Tarifvertrag. Innerhalb der letzten zwei Jahre ist die Wochenarbeitszeit der PostlerInnen von 40 auf 38,5 Stunden gesunken. Die Postgewerkschaft hat auf Lohnzuwächse verzichtet, weil sie hoffte, daß dadurch für Berlin 700 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden. Doch das ist nicht geschehen. „Um die gleiche Arbeit bei weniger Zeit erledigen zu können, hat die Post uns die Pausen zusammengestrichen“, so der Vorsitzende der Postgewerkschaft Berlin, Bernd Lindenau. Rechtlich war dieser Schritt nicht anfechtbar, da diese nur auf Vereinbarungsbasis festgelegt waren. Nun wollen die Postangestellten die Zeit für den Toilettengang im Tarifvertrag festschreiben lassen.
Doch da sperrt sich die Unternehmensleitung. Letztes Jahr wurde die Post mit Pomp und Getöse in drei Unternehmensbereiche aufgeteilt, an deren Spitze stehen nun Manager und nicht mehr Beamte. Und die haben mit markigen Worten eine Sanierung der Post versprochen.
In den bisherigen zwei Verhandlungsrunden haben die neuen Bosse sogar eine noch kürzere Pausenzeit angeboten - nichts für Kaffeetrinker. In den Vorstandsetagen weiß man, daß allein die Festschreibung der Zeiten in den Tarifvertrag einen Erfolg für die Gewerkschaften bedeuten würde. Und hofft wohl darauf, daß man so zu einer noch billigeren Lösung kommt. Lindenau: „Das ist ein ähnlicher Konflikt wie im Kita-Streik dieses Jahr.“
Bei den Gewerkschaftern wird man sich notfalls auf einen harten Kampf einstellen. Wenn am nächsten Dienstag kein Kompromiß zustande kommt, soll es eine Urabstimmung über den Streik geben. Und dann werden nicht mehr, wie gestern, 100 kurzfristig zu körperlicher Arbeit versetzte Verwaltungsbeamte zum Briefesortieren ausreichen.
Joachim Schurig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen