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Goldenes, sehr sanftes Licht

■ Der afrikanische Regiseur Souleymane Cisse über seinen Film „Yeelen“ und die Probleme, in Afrika Filme zu machen

Nach Cannes 1982 bin ich nach Mali zurückgekehrt, und ich habe mich gefragt: Bin ich fähig, eine andere Art von Film zu machen? Ich nahm mir drei Monate, um diese andere, phantastische und mythologische Geschichte zu schreiben. Sowohl in Afrika als auch in Europa haben die Leute anderes zu tun, als die Filme, die mir vorschweben, zu realisieren. Ich versuchte daher, so viel Geld als nur möglich zusammenzubringen, aus sehr verschiedenen Quellen: den Rechten für frühere Filme, Unterstützung meiner Familie, Anfragen an viele afrikanische Staaten (das Land Burkina -Faso stellte mir die Kamera und bestimmte Techniker, Mali die Transportmittel zur Verfügung), Geldmittel aus Frankreich und schließlich die japanische Firma Fuji, die mir 10.000 Meter 35-mm-Filmmaterial zur Verfügung stellte. Nach einjährigen Bemühungen konnte ich zu filmen beginnen. Am 15. Oktober 1984 kurbelten wir die erste Spule an. 450 Kilometer von Bamako entfernt, nahe der mauretanischen Grenze, in der Wüste. Die Schwierigkeiten

Fünf Wochen nach Beginn kamen schreckliche Wüstenstürme auf, Sandstürme, die die Dreharbeiten völlig lahmlegten. Eine Woche, zwei Wochen... Wir waren also gezwungen, uns zu trennen, da die Bewegungsunfähigkeit des Filmteams zu teuer wurde. Zwei Monate später starb der Hauptdarsteller Ismaila Sarr ganz plötzlich. Ich hatte meine ganze Geschichte auf ihn aufgebaut, auf seine äußere Erscheinung, seine Persönlichkeit und seine Visionen; Ich war ziemlich verzweifelt. Außerdem mußte ich, als ich mir ansah, was wir schon gedreht hatten (9.000 m), feststellen, daß man mir altes Filmmaterial gegeben hatte, das Bild war schlecht, das Licht viel zu stark und die Farben völlig verblaßt. Ich habe sehr laut geschrien, und schlußendlich gaben sie mir das Geld, um neues Material zu kaufen. dann mußte ich ein neues Technikerteam zusammenstellen. Ich stieß auf Jean-Noel Ferragut den Aufnahmeleiter, und so konnten die Dreharbeiten wieder aufgenomen werden. Sechs Wochen später bekommt Ferragut ein Nagelgeschwür, das sich weiter entzündete. In aller Eile brachte ich ihn fort aus dem Norden, dem Dogon -Land und dem Berg Homori, einer Gegend ohne Trinkwasser und von Insekten verseucht, zurück nach Bamako. Ich setzte ihn in ein Flugzeug nach Paris, und die Operation am nächsten Tag konnte einen Wundbrand verhindern. Während einer zweimonatigen Heilung von Ferragut machte ich in Paris einen Rohschnitt, um eine Art örtlicher Aufstellung vorweisen zu können und neue Produzenten zu überzeugen. Ich begann wieder, an zahlreiche Türen zu klopfen. So präsentierte ich die provisorisch zusammmengeschnittenen Filmstücke der Regierung von Mali, die mir eine Bankanleihe garantierte, so daß ich zum dritten Male die Dreharbeiten für Yeelen aufnahm. Die Magie

Es ist sehr schwierig für uns, in einem Spielfilm die Magie durch Tricks wiederzugeben. Die Mittel dazu fehlen, und man muß sich mit der ganz alltäglichen Realität behelfen. Ich mußte zum Beispiel bestimmte „phantastische“ Szenen weglassen, weil sie mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nicht realisierbar waren. So war es bei meinem Film unmöglich, einen heftigen Wind zu zeigen. Man kann sich in Europa nicht vorstellen, welche Schwierigkeiten wir gehabt haben, um einen Stock durch die Luft fliegen zu lassen oder auch nur, um die Ankunft der Bienen in der Kriegsszene mit den Peul zu simulieren. Was die ethnographischen Filme aus Europa angeht, so stimmt es, daß Yeelen zum Teil gegen sie gemacht worden ist. Ich wollte auf einen Blick von außen reagieren, auf den Blick von weißen Gelehrten und Technikern, auf einen fremden Blick, der manchmal dazu neigt, die Afrikaner zum Objekt zu machen, zu Tieren, die man in ihren exotischen Riten zeigt.

Ich wollte den Ritualen ihren Reiz, ihre Schönheit zurückgeben. bei der Komo-Zeremonie spielen Initiierte sich selbst. Das einzige, was zu tun war, war die Steuerung des Dialoges. Ansonsten brauchte man sie nur ungehindert reden und sich bewegen zu lassen. Sie haben die Anwesenheit der Kamera nach sehr strengen Diskussionen mit ihren religiösen Oberhäuptern akzeptiert und sich uns dann mit viel Stolz und Offenheit zur Verfügung gestellt. Das Licht

Wir mußten entscheiden, welche Art von Licht wir haben wollten, um die einzelnen Elemente des Films zur Geltung zu bringen. Das wichtigste dieser Elemente war die schwarze Haut in allen ihren möglichen Abstufungen, vom Schwarz zur Mischlingsfarbe. Ich habe mich also für ein sehr goldenes, sehr sanftes Licht entschieden, für das, was man Goldgelb nennt. Es ist vor allem ein Morgen-, aber auch ein Abendlicht. Mittags sind die Kontraste viel zu stark, als daß man hoffen könnte, ein sanftes Licht zu bekommen. Sehr früh vor allem: Wir standen äußerst früh auf und waren nach dem Drehen sehr müde. Wir weckten uns um drei Uhr, um das Drehen vorzubereiten und die Schauspieler einzuweisen, und fingen gegen fünf Uhr an. Die Macht

Bei uns gehört das Wissen einer Gruppe einer bestimmten Kaste: Der Konflikt beginnt dann, wenn ein Außenstehender einen Zugriff auf dieses Wissen, diese Macht versucht. Die Inhaber dieser Macht, die diese um jeden Preis behalten wollen, versuchen oft, die Neuen, die Jüngeren, diejenigen, die danach streben, dieses Wissen teilhaftig zu werden, physisch zu eliminieren. Daher die Gewalt, die im Zusammenhang mit dem Wissen und der Magie ins Spiel kommt. Der Vater in Yeelen ist davon überzeugt, daß sein Sohn ihn überflügeln wird, und das kann er nicht ertragen. Die Gewalt

Yeelen ist ein Film, der auf die Suche geht nach jenem Licht, ihm entgegengeht und es erkundet, das einzig und allein aus dem Zusammenstoßm aus der Gewalt hervorgehen kann. Es ist also eine Situation äußerster Spannungen, in der man ganz und gar durchgeschüttelt werden muß. Alles dort ist heftig, das Licht ist manchmal grell, vor allem die Männer können jählings Wutanfälle und erregte Streitgespräche haben. Das ist zum Beispiel in der Szene der Fall, als sich die beiden Zauberer treffen: Die Diskussion ist sehr heftig. Man kann es nicht wirklich erkennen, aber es handelt sich um die Begegnung zweier alter Magier, bei der die verbale und gestische Auseinandersetzung im Zentrum der Riten steht. In dem Film habe ich ständig versucht, bei allem bis ans Ende zu gehen; das kündigt sich gleich zu Beginn an: „Erwarten Sie keine Geschenke, dies ist ein Film, der Sie weit fortführen wird...“ Es ist ein in sich zerrissener Film. Der Reichtum

In Afrika „gibt es alles, aber nichts existiert wirklich“. Es gibt alles, weil es eine außerordentliche menschliche Leistungsfähigkeit, eine kulturelle Leistungsfähigkeit gibt. Darin liegt ein ungeheurer Reichtum; manche versuchen ihn zu leugnen, aber dennoch ist er eine Realität, die sich tief in der afrikanischen Kultur, in ihrer Mannigfaligkeit, ihrer Tradition und ihrem Glanz niedergeschlagen hat, in all dem, was man in Yeelen beinahe im Rohzustand wiederfindet. Aber ich habe den Eindruck, daß diejenigen, die die Macht in Händen halten, sich dieser Lage der Dinge nicht bewußt sind. Die unternehmen nichts, um diesen kulturellen Reichtum zu kanalisieren und aufzufangen. Meine Pflicht ist es, mich in dieser Kultur zu verwurzeln, um sie teilweise übernehmen zu können.

Die WDR-Fernsehspiel-Redaktion zeigt im Rahmen der Extra -Spiel-Reihe im Mai vier Filme aus Westafrika bzw. von westafrikanischen Regisseuren. Den Auftakt macht am Sonntag um 20 Uhr Souleymane Cisses vielbeachteter Film Yeelen (Das Licht). Jeweils freitags folgt Moussa Yoro Bathilys Film Kleine Weiße - scharf gewürzt, Gaston Kabores Zan Boko und Pape B. Secks Afrika am Rhein.

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