: Regentschaft im Norden ungeklärt
Zoff bei der Wahl der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns / Schweriner waren die schnellsten Rostock und Neubrandenburg verärgert / Beschert der Westen den Innovationsschub? ■ Von Heike Sommer
Schwerin (taz) - Erst einmal Tatsachen schaffen, dachten sich die Schweriner und nannten ihren Rat des Bezirkes kurzerhand in „Sitz der Landesregierung Mecklenburg“ um. Verständlich, daß darüber die Mecklenburger und Vorpommern der Bezirke Rostock und Neubrandenburg verärgert sind. Manch einer munkelt, daß bei einem Volksentscheid darüber schon aus Trotz zwei Drittel Rostock zur Landeshauptstadt wählen würden. Ganz kühne Patrioten verlangen die Aufteilung Mecklenburgs in Ost- und West-Mecklenburg, und die Vorpommern gar beanspruchen die Eigenständigkeit ihrer Region. Während Europa die Einigung anstrebt, wollen die restaurativen Kräfte hier möglichst die Verhältnisse von anno dunnemals wiederherstellen. Bei dieser Diskussion stehen dann größtenteils nicht Sachfragen, sondern Emotionen im Vordergrund. Glücklicherweise sind diese Kräfte aber in der Minderheit.
Die Arbeit des Regionalausschusses Schleswig-Holstein/Meck
lenburg/Vorpommern ist größtenteils von Sachlichkeit geprägt. Seit drei Monaten arbeitet er nun. Sein eigentliches Hauptanliegen ist die strukturelle Verzahnung der nördlichen Gebiete eines zukünftigen Deutschlands. Dabei steht vor allem die infrastrukturelle Entwicklung im Mittelpunkt. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, daß die drei Nordbezirke eine sehr unterentwickelte Verkehrsstruktur aufweisen, die der zukünftigen Entwicklung (insbesondere der Landwirtschaft, Energie und des Tourismus) nicht dienlich wären. Neben der unterentwickelten Infrastruktur zeichnet sich die Region durch verhältnismäßig wenig Industrie aus. Außerdem führt die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung zwischen Ost- und Westeuropa zur Veränderung und Verstärkung der Verkehrsströme. Während bisher die Nord-Süd-Verbindungen im Vordergrund der Verkehrspolitik standen, werden künftig die Ost-West -Verkehre erheblich an Bedeutung gewinnen.
Für die Region Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Vorpommern gilt es vordringlich, Maßnahmen zu ergreifen, um die wirtschaftliche Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Zusammenarbeit im Bereich der Küstenwirtschaft an Nord- und Ostsee sowie den Tourismus und die Landwirtschaft zu entwickeln. Konkret ist beispielsweise geplant, diese nördliche Region voll in das europäische Hochleistungsschienennetz zu integrieren sowie das Straßennetz auszubauen. Dabei sollen Naturschutzgebiete durch gut funktionierenden Nahverkehr verkehrsberuhigt werden. Außerdem beschloß der Regionalausschuß bisher 25 andersartige Einzelprojekte. So wird mit schleswig -holsteinischer Hilfe zum Beispiel ein umweltfreundliches Kraftwerk in Anklam eine Dreckschleuder bei der Beheizung von 500 Wohnungen ablösen. In Güstrow soll ein zentraler Schlacht- und Zerlegungsbetrieb als Joint-venture errichtet werden. Weiterhin ist eine Kooperation beim Bau von Windkraftanlagen und geothermischen Heizanlagen geplant. Rostock und Schwerin sollen zu Hochtechnologiezentren entwickelt werden. Neubrandenburg meldet dafür auch Anspruch an. Vertreter des Bezirkes Neubrandenburg plädieren immer wieder dafür, nicht die östlichen Gebiete der Region zu vernachlässigen und die Entwicklung nur im grenznahen Bereich zu fördern. Dahingehend dürfe die Geschichte nicht wiederholt werden, daß das östliche Mecklenburg und Vorpommern zum Hinterhof Deutschlands werden.
Zusammenarbeit ist vonnöten, denn das zukünftige Land Mecklenburg-Vorpommern wird auch künftig noch lange eine ökonomisch schwächere Region im Wettbewerb der Länder sein.
Um noch einmal auf den Streit um die Landeshauptstadt zurückzukommen. Sicher ist, daß es formell eine Landeshauptstadt geben wird. Die Ministerien und Verwaltungsinstitutionen werden aber dezentral auf die ehemaligen Bezirkshauptstädte verteilt. Diese Lösung wäre am weitsichtigsten, da eine spätere Fusion Mecklenburg -Vorpommern mit Schleswig-Holstein nicht auszuschließen ist. Und damit wäre die Frage der Landeshauptstadt wieder offen.
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