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Die CDU Ost-West, die Rote Lola und das Deutschlandlied

■ Zum ersten Mal seit der Spaltung der Stadtverwaltung traf sich die CDU aus Ost- und West-Berlin zu einem gemeinsamen Parteikongreß / Motto: Haupstadt Berlin / Superstar der Veranstaltung war Lothar de Maiziere / Noch in diesem Jahr soll ein gemeinsamer Landesverband gegründet werden

Berlin. Die Adresse klang schon fast wie aus einem Comicstrip: Ausgerechnet das Dynamo-Sporthotel in der Ho-Chi -Minh-Straße im Ostberliner Stadtteil Hohenschönhausen hatte sich die CDU ausgesucht, um einen ersten gemeinsamen Parteikongreß der Landesverbände aus beiden Teilen der Stadt zu veranstalten. Doch trotz des Ortes hing über dem Kongreß wieder einmal der Hauch der Geschichte. In seiner Eröffnungsrede beschwor der Vorsitzende der Ostberliner CDU, Engler, die „Rückkehr zu den Quellen“: In Berlin, an der Wiege der CDU, dürfe man sich zum ersten Mal seit der Spaltung der Stadt wieder gemeinsam versammeln. Etwa 600 Delegierte inklusive der jeweiligen Parteiprominenz trafen sich am Freitag abend trotz des strahlend schönen Wetters in einem muffigen Saal der Herberge für prominente Sportler, um die erste Stufe der Wiedervereinigung zu zelebrieren.

Nachdem es am Anfang etwas Mühe bereitet hatte, die Prominenz vom Rasen vor dem Hotel in den Saal zu bewegen, redete diese dann geschlagene zwei Stunden zu dem Thema „Hauptstadt Berlin - unser Auftrag in einem geeinten Deutschland“. Von westlicher Seite durften CDU-Chef Diepgen, sein Generalsekretär Landowsky, Abgeordnetenhauspräsident Wohlrabe und Vorstandsmitglied Wienhold aufs Podium, von östlicher Seite neben Engler Oberbürgemeisterkandidat Jacob, Vorstandsmitglied Sparing, Parlamentspräsidentin Bergmann -Pohl und als Superstar Lothar de Maiziere, der zum Entzücken der Delegierten auch eine kurze Rede hielt. Kein Zweifel, der schmächtige Ministerpräsident, der ebenso wie Frau Bergmann-Pohl aus dem Berliner Landesverband kommt, war der Höhepunkt der Veranstaltung, für seine Ausführungen zur Hauptstadt Berlin bekam er Standing ovations. De Maiziere wirkte vergleichsweise entspannt an diesem Abend und wagte sogar einen Witz: „Die Rote Lola, die 40 Jahre lang in der Roten Laterne gedient hat, ist wenig glaubwürdig, wenn sie jetzt für einen Jungfrauenverein auftritt.“ Gemeint war damit die PDS, von der man sich als ehemalige Blockpartei immer wieder zu distanzieren versuchte.

Inhaltlich waren sich alle Redner einig: Berlin ist die natürliche Hauptstadt eines geeinten Deutschlands. Wichtiger war das Treffen als letzte Wahlkampfveranstaltung vor der Kommunalwahl und als Vorstufe zu einem gemeinsamen Landesverband, der nach dem Willen von Diepgen noch in diesem Jahr gebildet werden soll. Die CDU, die einen blassen Wahlkampf geführt hatte, wußte hier nicht viel zu kommunalen Themen zu sagen - außer, daß man in treuer Gefolgschaft zur West-Schwester eine rot-grüne Koalition als Chaos anprangerte.

An die guten alten Zeiten der einstimmigen Abstimmungen erinnerte ein Antrag eines Teils der Delegierten: Die Mauer, hieß es da, solle unverzüglich und ersatzlos abgerissen werden. Dem konnten alle Delegierten mit heißem Herzen zustimmen und waren dann schon richtig in Stimmung für den krönenden Abschluß der Veranstaltung: das Deutschlandlied, eingespielt in einer flotten Marschversion. Ergriffenheit danach im Saal, auch einige Tränen wurden zerdrückt. Nach so vielen historischen Minuten durfte sich das gemeine Parteivolk bei kaltem Buffet und einer unwiderstehlichen Band im Stil der 50er Jahre mit der Prominenz unterhalten.

Kordula Doerfler

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