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WHO vor Zerreißprobe im Streit um PLO

USA drohen mit Einstellung aller Zahlungen, falls die WHO-Jahresversammlung die PLO/Palästina aufnimmt  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Überschattet vom Streit um einen Mitgliedsantrag der PLO bzw. des von ihr Ende 1988 im tunesischen Exil ausgerufenen Staates Palästina beginnt heute in Genf die Jahresversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die USA haben gedroht, ihre Beitragszahlungen - rund 25 Prozent des WHO-Budgets - sofort einzustellen, falls eine Mehrheit der 160 Mitgliedsstaaten dem Antrag zustimmen sollte. Dies könnte zum Zusammenbruch der WHO führen und darüber hinaus gravierende Auswirkungen auf das gesamte UNO-System haben.

Der bereits auf der letzten Jahresversammlung im Mai 89 gestellte Antrag war damals - zum Entsetzen der USA - von den Juristen des WHO-Generalsekretärs Nakajima für vereinbar mit den Statuten der Organisation erklärt worden, seine Behandlung jedoch zu weiterer Vermittlung um ein Jahr verschoben worden. In seit Wochen laufenden Kompromißverhandlungen der EG-Staaten mit den „gemäßigten“ arabischen Staaten und Fathi Arafat, dem Bruder des PLO -Chefs, wurde noch keine Formel gefunden. Im Kern geht es dabei um eine Resolution zur Aufwertung der von Fathi Arafat geleiteten palästinensischen Rote-Halbmond-Organisationen, die auf lokaler Basis in den von Israel besetzten Gebieten existieren, von der Liga der nationalen Rotkreuz- und Rote -Halbmond-Gesellschaften in Genf bislang aber nicht als Mitglied aufgenommen wurden. Über die „Rote-Halbmond -Organisation Palästinas“ sollen nach Vorstellung Fathi Arafats künftig alle medizinischen Hilfsleistungen in die besetzten Gebiete laufen.

Die EG-Staaten wollen jedoch höchstens einer Formulierung zustimmen, in der von „palästinensischen Rote-Halbmond -Organisationen“ die Rede ist. Unter Verweis auf entsprechende Beschlüsse des US-Kongresses erklären ihre Vertreter in Genf bislang, jegliche Aufwertung der PLO/Palästinas hätte bereits die Einstellung aller US -Zahlungen zur Folge. Sie drängen auf einen Beschluß, „durch den das ganze Thema jetzt und für die nächsten Jahre von der Tagesordnung kommt“, erklärte ein US-Diplomat gegenüber der taz. Falls der PLO-Antrag in seiner bisherigen Form zur Abstimmung käme, ist - darin sind sich VertreterInnen der USA, der EG und der „gemäßigten“ arabischen Staaten einig eine Mehrheit längst nicht mehr so sicher wie noch in den letzten Jahren. Besonders die afrikanischen Staaten fürchten, daß bei Wegfall der US-Zahlungen ihre weitgehend von der WHO finanzierten Gesundheitssysteme gefährdet sind. Auch die UdSSR und andere osteuropäische Staaten haben signalisiert, daß eine funktionierende WHO für sie Priorität vor der Unterstützung der Palästinenser hat.

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