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Platzbesetzung in Gorleben

AtomgegnerInnen drangen auf das Baugelände vor  ■  Aus Gorleben Gabi Haas

Mit einem Überraschungscoup haben gestern morgen 60 AtomgegnerInnen in Gorleben das Baugelände der Pilotkonditionierungsanlage (PKA) besetzt.

Die Besetzer rückten mit dem Transporter eines örtlichen Biobauern an, in dem statt Ökowürstchen und Biogemüse Leitern und die Montageteile einer Holztreppe versteckt waren. Blitzschnell entluden die Aktivisten ihr trojanisches Pferd und überkletterten Metallgitter und die zweieinhalb Meter hohe Betonmauer. Dem überrumpelten Wachpersonal auf der Baustelle blieb nur das Zuschauen, als die Gorleben -Aktivisten die Festung von innen mit Anti-Atom-Parolen dekorierten und das abgeholzte Baugelände mit jungen Bäumchen wiederaufzuforsten begannen.

Die herbeigerufene Polizei hielt sich zurück. Zum einzigen Zwischenfall im Verlauf der Besetzung kam es, als sich einige Besetzer in der glühenden Mittagssonne an einem der Hydranten der Baustelle zu schaffen machten: Einer der Werkschützer jagte mit seinem Fahrzeug mit Vollgas auf die Gruppe zu, die ihn mit einer kräftigen Dusche empfing. „Ich dachte, das soll hier gewaltfrei zugehen“, brüllte der klitschnasse Wachmann.

Etwa dreieinhalb Stunden verharrten die Gorleben-Gegner in Hitze und Staub. Dann zogen sie als geschlossene Demonstration zum Haupttor des PKA-Geländes, das ihnen von Polizei und Wachmannschaft bereitwillig geöffnet wurde. Mit ihrer Platzbesetzung fast auf den Tag genau zehn Jahre nach Errichtung des Hüttendorfs auf der Bohrstelle 1004 protestierten die Wendländer gegen den Bau der PKA, in der künftig Verfahren zur Zerkleinerung und Verpackung hochradioaktiven Atommülls erprobt werden sollen.

Schon am heutigen Montag steht die nächste Aktion auf dem Programm: Eine Handwerkergruppe aus dem Wendland will in den Morgenstunden eine „eskalierende Blockade“ vor dem Tor des Zwischenlagers einleiten, wo in den kommenden Wochen die ersten Castor-Transporte mit abgebrannten Brennelementen erwartet werden. Diese Blockade soll unter dem Motto „Gorleben bebt“ ab sofort jeden Montag stattfinden und Woche für Woche auf alle möglichen in- und auswärtigen Gruppen ausgeweitet werden. Die Aktivisten kündigten an, daß der Eskalationscharakter der Blockaden „nicht durch immer radikalere Mittel, sondern durch eine ständig zunehmende Anzahl von BlockiererInnen“ gewährleistet werde. Die AKW -GegnerInnen im Wendland begründen die Intensivierung ihres Kampfes gegen das Entsorgungszentrum mit drei verlorenen Gerichtsverfahren innerhalb weniger Monate. Zuerst war der Bau der PKA genehmigt worden, im März gab ein Gericht grünes Licht für die Erkundung des Salzstocks Gorleben, und vor wenigen Wochen wurde die Atom-Einlagerung in die PKA erlaubt.

Kontakt: Bildungs- und Begegnungs stätte Wustrow, Tel.: 05843/50

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