: Wenn Belegschaften ihre Betriebe übernehmen
■ Langjährige Untersuchung der Angestelltenkammer
Die Übernahme bankrotter Betriebe durch die Belegschaften klappt öfter, als normalerweise vermutet wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine langjährige Untersuchung der Bremer Angestelltenkammer. Der Sozialwissenschaftler Rainer Duhm hat bundesweit 40 Versuche zur Gründung von „Belegschaftsunternehmen“ untersucht und die Resultate in einem 250seitigen Buch veröffentlicht. Einige der Betriebe sind exemplarisch ausführlich beschrieben worden. Im Anhang finden sich zudem allgemeine Angaben über Erfolg und Mißerfolg aller 40 untersuchten Unternehmen.
Immerhin ein Drittel aller Übernahme-Versuche in der Bundesrepublik fand in den 80er Jahren in Bremen und Bremens näherer Umgebung statt. Einige, wie zum Beispiel die „Druckerei Geffken“, gehören inzwischen zu den erfolgreichsten Beispielen selbstverwalteter Betriebe, die aus ehemaligen Pleite-Firmen hervorgegangen sind. Dieses Bremer Beispiel weist zwei Eigenschaften auf, die für eine erfolgreiche Umwandlung der Betriebe ausschlaggebend zu sein scheinen: Es hat eine Größe, die von jedem Belegschaftsmitglied noch überschaubar ist, und die Produktion mußte nicht grundsätzlich verändert werden.
Beides war zum Beispiel bei dem kurzfristigen Versuch, die 4.000köpfige Belegschaft der AG Weser durch Selbstverwaltung
der Werft vor der Arbeitslosig keit zu retten, nicht gegeben. Auch Erfahrungen in anderen europäischen Ländern weisen in die gleiche Richtung. So wurden in Italien im vergangenen Jahrzehnt jährlich bis zu 1.000 kleinere und mittlere Betriebe in Selbstverwaltung weitergeführt.
Problematisch ist noch immer die Beratung von Belegschaftsinitiativen. Nur bei der IG Metall ist inzwischen ein Netz von qualifizierten Beratern entstanden. Und mit Hilfe der neuen Studie, will nun auch die Angestelltenkammer Beratung anbieten.
Duhm warnt allerdings vor einer Unterschätzung der ökonomischen Probleme bei Betriebsübernahmen durch die Belegschaft. „Ohne staatliche Hilfen geht das so gut wie gar nicht“, lautet das Ergebnis seiner Untersuchung. Allerdings unterscheiden sich die selbstverwalteten Betriebe dabei nicht von konventionellen Unternehmen in Krisensituationen.
„Das Thema ist vor allem durch die Entwicklung in der DDR jetzt besonders aktuell geworden“, sagte Angestelltenkammer -Präsident Bernhard Baumeister gestern bei der Vorstellung der Studie. Schließlich stelle sich jetzt auch für viele ehemals „volkseigene“ Betriebe die Alternative von Selbstverwaltung oder Arbeitslosigkeit.
Ase
Das Buch „Wenn Belegschaften ihre Betriebe übernehmen“ ist im Campus-Verlag erschienen und kostet 48 Mark.
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