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Mit Bollerwagen, Clausthaler und Maibäumchen ab ins Grüne

■ betr.: "1.-Mai-Fest: Eingangstür zur Straßenschlacht", Luxuriöser Metropolenkrawall in Kreuzberg", Kreuzberger verlassen zum 1. Mai ihren Kiez", taz vom 30.4.90

Betr.: „1.-Mai-Fest: Eingangstür zur Straßenschlacht“, „Luxuriöser Metropolenkrawall in Kreuzberg“, „Kreuzberger verlassen zum 1. Mai ihren Kiez“, taz vom 30.4.90

(...) Bei mir kommt das Gefühl hoch, daß sich rechtes Gedankengut in der Yuppie-Linken breitmacht. Sätze und Gedanken, die nichts mehr mit linker Politik zu tun haben.

Eine autonome Scene, der man/frau politische Verantwortung und Auseinandersetzung abspricht, die man zu Lügnern, Alkis und Feiertagsterroristen abstempelt. Der Tip von V. Dumont, zu Hause zu bleiben, die Kinder zu pflegen und zu lernen, ist der Höhepunkt des Ganzen.

Mein Tip für Euch: mit Bollerwagen, Clausthaler und Maibäumchen ab ins Grüne.

Heike von der Schoor, Berlin

(...) Es ist nicht erkenntlich, was recherchiert wurde oder nur den Vermutungen der Verfasserin über das kommende Ereignis entspringt. Der Artikel („1.-Mai-Fest: Eingangstür zur Straßenschlacht“) ist getragen von einer Form der Stimmungsmache, die geradezu die Randale in Kreuzberg heraufbeschwört. Gleichzeitig finde ich, daß der Gewaltdiskussion im Vorfeld der Demonstration eine solch große Bedeutung in Eurer Berichterstattung zugestanden wird, daß alle anderen politischen Aktionen der letzten Zeit kaum noch beachtenswert erscheinen (Aktionswoche gegen das Ausländergesetz, Shell-Fahrraddemo usw.)

(...) Damit, daß die taz explizit zur Nichtteilnahme an der Demo aufruft und alle „Dennoch-Teilnehmer“ als Randalespezialisten, die „Terror veranstalten“ wollen und an keiner „vernünftigen Gestaltung des Lebens in der Stadt und Umgebung“ bereit sind, bezeichnet, werden überharte Polizeieingriffe schon im voraus gerechtfertigt.

Darüber hinaus sind die Anspielungen der Verfasserin auf faschistoide Verhaltensmuster der Demoteilnehmer einfach falsch. Gerade in Bezirken wie Kreuzberg ist die Anfälligkeit gegenüber rechtsextremen Einstellungen, im Gegensatz zum Beispiel zu Neukölln, am geringsten. (...)

Jens, Berlin

Ihr altlinken Neuyuppies der taz, die Ihr Euch doch längst in senatssanierter Wohnlage und rosagrünem Politsumpf fett und breitgesessen habt, übernehmt immer offensichtlicher die Funktion der Gralshüterin für den SPD-AL-Senat.

„Innensenator Pätzold (SPD) möchte gerne noch eine Weile Innensenator bleiben“, und Ihr wollt ihm dabei helfen. Mit so hohlen Phrasen wie „selbst ehemalige Hausbesetzer flüchten nach Westdeutschland“. KeineR, der/

die mal an einer Hausbesetzung teilgenommen hat, wird zu einer Instanz in der Militanzfrage oder auch nur für die Szene-Atmosphäre. Sie/

ihn dazu zu machen, ist perfide Affekthascherei. (...)

Vergessen sind der 20. April, die rassistischen Übergriffe auf afrikanische Immigranten in Italien, die Unterdrückung der Kurden und alljährlichen Schüsse auf 1.-Mai -Demonstranten in der Türkei und der Vormarsch der Nationalisten und Faschisten in Europa. Du, Martin Dittkamp, bist keine Frau, kein Ausländer, weder schwul noch sonst eine „auffällige Erscheinung“, fährst nachts mit Deiner eigenen Karre oder notfalls mit dem Taxi - klar, daß Du die strukturelle Gewalt in diesem System nur vom Hören kennst.

Jedenfalls war diese Artikelserie der Höhepunkt der taz -Hetze gegen den revolutionären 1. Mai - und nicht die Fest -/DemoveranstalterInnen usw. lügen, sondern die taz lügt.

Klaus Esch, Berlin

(...) Dieser Artikel („Luxuriöser Metropolenkrawall...“) ist einer der vielen antikommunistischen Artikel und des leider vorherrschenden Bewußtseins in der taz. Ich wünschte mir, daß die RedakteurInnen und JournalistInnen bei der taz weniger 'Bild'- und 'BZ'-Journalismus machen würden, dann hätte man diesen Artikel nämlich nicht veröffentlicht oder als Leserbrief. (...)

Sigrun Steinborn, Berlin

(...) Was 'BZ‘, 'Bild‘ und 'Morgenpost‘ sich längst nicht mehr leisten oder vielleicht auch nicht mehr nötig haben, die taz macht's möglich: Eine ganze Seite dümmlicher, bösartiger Hetze auf alle, die am 1. Mai in Kreuzberg auf die Straße wollen. „Demonstration“ und „Fest“ alles „Vorwand“ und „Lüge“. In Wirklichkeit geht es denen ja nur um „Terror, Angst und Krawall“.

Ihr hört es nicht gern, aber der Vergleich drängt sich auf: Das ist die Machart der Springerpresse gegen Studentenbewegung und Apo 1968. Aus den „Chaoten“ von damals sind die „Randalespezialisten“ geworden. Einzelne Sätze könnten aus der Springerpresse von damals abgeschrieben sein. Ich empfehle einen Textvergleich. Es fehlen nur noch die Karikaturen von den „langbehaarten Affen“, die die „Bauarbeiter ruhig schaffen lassen“ sollen, und es fehlt glücklicherweise die Personifizierung der Haßobjekte. Nicht Information, nicht Argumente, nicht Auseinandersetzung und Meinungsstreit über die Veranstaltungen zum 1. Mai in Kreuzberg können der Grund für den Abdruck der Artikel sein, sondern nur Stimmungsmache und Anmache.

Es kann nicht darum gehen, eine kritische Berichterstattung und Kommentierung zum Kreuzberger 1. Mai aus der taz rauszuhalten, aber doch nicht so. Und Informationen dazu fehlen, was die 15.000 bewegt, am 1. Mai auf die Straße zu gehen und gerade auch in Kreuzberg und warum so viele tausend zum Fest im Görlitzer Park wollten. Weil alle sich zur Randale versammeln wollten?!

Es ist traurig aber wahr: Die taz hat nicht nur jeden Zugang zu der Szene verloren, den sie beim Entstehen der taz hatte, sondern auch, was schlimmer ist, die taz scheint völlig aus den Augen verloren zu haben, daß sie sich als Ergebnis der Anti-Springer-Kampagne verstanden hatte. (...)

Hans-Christian Ströbele, Berli

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