: Rot-grünes Gezerre um Forschungsreaktor
■ Westberliner Umweltsenatorin Schreyer hält den Forschungsreaktor am Hahn-Meitner-Institut für derzeit nicht genehmigungsfähig Harte Bandagen in der heutigen Senatssitzung / Wissenschaftssenatorin Riedmüller (SPD) trommelt in Bonn für das Mini-AKW
Berlin (taz) - Vor dem Hintergrund rot-grüner Koalitionssignale im Ostteil der Stadt steuert der rot-grüne Senat in West-Berlin auf eine neue Zerreißprobe zu. Auslöser ist der seit Monaten schwelende Konflikt um die Wiederinbetriebnahme des Forschungsreaktors BER II am Hahn -Meitner-Institut (HMI). Die für die Genehmigung zuständige und von der AL entsandte Umweltsenatorin Michaele Schreyer erklärte gestern, die Voraussetzungen für eine Betriebsgenehmigung seien nicht gegeben. Für Schreyer ist der vom HMI vorgelegte Entsorgungsnachweis „derzeit nicht ausreichend“. Außerdem will die Senatorin das nach dem Atomgesetz vorgeschriebene Anhörungsverfahren wiederaufnehmen, um eine Beteiligung der bisher ausgeschlossenen DDR-BürgerInnen aus dem benachbarten Potsdam nachträglich zu ermöglichen. Die dem HMI eng verbundene Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) reagierte prompt: Eine halbe Million DM werde die Wiederholung des Erörterungstermins kosten, 1,8 Millionen monatlich verschlinge der Stillstand in Wannsee.
Frau Schreyer untermauerte ihre Position zur Brennelemente -Entsorgung in den USA mit einem neuen Gutachten des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung und dessen Schwesterinstitut in den USA. Daraus geht hervor, daß die Entsorgung jenseits des Atlantiks zum einen auf unbestimmte Zeit ungesichert ist und der Uranbrennstoff aus dem HMI bisher direkt in den US-amerikanischen Atomwaffen -Kreislauf integriert war. Dies widerspreche dem Atomgesetz, das eine „schadlose Wiederverwendung“ oder „Endlagerung“ des Atommülls zwingend vorschreibe. Die vom HMI als Alternative vorgeschlagene Zwischenlagerung mit anschließender Wiederaufarbeitung im schottischen Dounrreay sei ebenfalls „mit großen Fragezeichen zu versehen“.
Schreyers Vorstoß verspricht in der heutigen Senatssitzung eine spannende Debatte. Die Umweltsenatorin will die Koalition lediglich über den Stand des Verfahrens und einen bevorstehenden Bescheid an das HMI unterrichten. Eine Abstimmung und damit eine „politische Entscheidung“ im Senat hält die Umweltsenatorin für unzulässig. Die Drohung von Bundesforschungsminister Riesenhuber (CDU), bei Verzögerungen des Genehmigungsverfahrens den Geldhahn zuzudrehen, bezeichnete Senatorin Schreyer „eindeutig als Nötigung“.
bw/gero
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen